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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Gang und an dessen Ende den Speisesaal in der Unordnung eines Zimmers, das plötzlich verlassen wurde, mit dem noch gedeckten Tisch, den hingeworfenen Servietten, den zurückgeschobenen Stühlen. Trotzdem geriet man noch immer nicht in Schrecken.
    Benedetta sprach laut die in solchen Fällen gewöhnliche Befürchtung aus.
    »Wenn ihr nur nichts Schlechtes gegessen habt!«
    Der Kardinal sagte mit einer abermaligen Geberde, lächelnd, die gewöhnliche, mäßige Zusammensetzung seiner Tafel her.
    »O, Eier, Lammkoteletten, Sauerampfer – das kann ihm nicht den Magen überladen haben. Ich trinke bloß reines Wasser, er nimmt zwei Schluckchen Weißwein ... Nein, nein, das Essen hat nichts damit zu schaffen.«
    »Und dann wären Seine Eminenz und ich ebenfalls unwohl,« erlaubte sich Don Vigilio zu bemerken.
    Dario, der einen Augenblick die Augen geschlossen hatte, öffnete sie und atmete wieder tief auf, indem er sich zwang, zu lachen.
    »Geht, geht, es wird nichts sein. Ich fühle mich schon viel besser. Ich muß ein bißchen Bewegung machen.«
    »Dann höre meinen Plan an,« hob Benedetta an. »Du wirst mich und den Herrn Abbé Froment spazieren fahren und uns sehr weit in die Campagna hinaus führen.«
    »Gern! Das ist ein sehr netter Gedanke. Victorine, so helfen Sie mir doch.«
    Er hatte sich aufgerichtet, indem er sich mühsam mit der Hand nachhalf. Aber ehe die Dienerin sich genähert hatte, ergriff ihn ein leichter Krampf und er fiel, wie von einer Ohnmacht niedergeschmettert, zurück. Der Kardinal, der neben dem Bette stehen geblieben war, fing ihn in seinen Armen auf, während die Contessina diesmal den Kopf verlor.
    »Gott, Gott, schon wieder ... Schnell, schnell, einen Arzt!«
    »Wünschen Sie, daß ich um einen laufe?« fragte Pierre, den die Scene ebenfalls aufzuregen begann.
    »Nein, nein, Sie nicht – bleiben Sie bei mir. Victorine wird schnell gehen. Sie kennt die Adresse. Doktor Giordano, Du weißt, Victorine.«
    Die Dienerin entfernte sich und eine schwere Stille senkte sich über das Zimmer. Von Minute zu Minute wuchs die schauernde Angst. Benedetta war mit sehr blassem Gesicht wieder an das Bett getreten, wahrend der Kardinal Dario, dessen Kopf auf seine Schulter gesunken war, in den Armen behalten hatte und ihn ansah. Ein furchtbarer, noch unklarer, unbestimmter Argwohn war gerade in ihm erwacht: es kam ihm vor, daß Darios Gesicht grau war und denselben entsetzten, angstvollen Ausdruck besaß, den er bei seinem liebsten Herzensfreunde, Monsignore Gallo, bemerkt hatte, als er ihn, zwei Stunden vor seinem Tode, ebenso an seiner Brust gehalten hatte. Es war dieselbe Ohnmacht, dasselbe Gefühl, daß er nur noch den kalten Körper eines geliebten Wesens halte, dessen Herz stillestand; vor allem aber wuchs in ihm der Gedanke an Gift, an das aus dem Dunkel kommende, im Dunkeln wie ein Blitzstrahl niederfahrende Gift. Lange beugte er sich so über das Gesicht seines Neffen, den letzten seiner Rasse, suchte, studirte und fand die Anzeichen des geheimnisvollen, unerbittlichen Nebels wieder, das ihm bereits die Hälfte seines Selbst entrissen hatte.
    Aber Benedetta flehte halblaut:
    »Lieber Onkel, Sie werden müde werden ... Ich bitte Sie, lassen Sie mich ... ich werde ihn auch ein bißchen halten ... haben Sie keine Angst, ich werde ihn sehr sanft anfassen; er wird fühlen, daß ich es bin, vielleicht wird ihn das erwecken.«
    Er hob endlich den Kopf, sah sie an und trat ihr den Platz ab, nachdem er sie mit Augen voll Thränen heftig an sich gedrückt und geküßt hatte. Eine plötzliche Erregung hatte ihn überkommen, bei der die Anbetung, die er für sie empfand, die starre Kälte schmolz, die er gewöhnlich heuchelte.
    »Ach, mein armes Kind, mein armes Kind!« stammelte er und zitterte heftig wie eine entwurzelte Eiche.
    Uebrigens beherrschte er sich sofort, errang seine Fassung wieder, und während Pierre und Don Vigilio stumm, unbeweglich und verzweifelt, weil sie nichts nützen konnten, warteten, ob man ihrer bedürfe, begann er langsam im Zimmer auf und ab zu gehen. Dann schien ihm dieser Raum für die Gedanken, die er durch seinen Kopf wälzte, zu eng zu werden; er zog sich zuerst in das Ankleidezimmer zurück und strich zuletzt durch den Gang, wanderte bis in den Speisesaal. So ging und kam er immer wieder, ernst, unbeweglich, gesenkten Hauptes, stets in dieselbe düstere Träumerei versunken. Was für eine Welt von Betrachtungen bewegte sich in dem Schädel dieses Gläubigen, dieses hochmütigen

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