Rom - Band III
abscheuliches Spiel des Schicksals! Kein Schrei des Schmerzes entfuhr ihm; der Schatten auf seinem Gesichte war grimmig und finster geworden.
Trotzdem ertönte ein Schrei – ein heller Aufschrei Benedettas, die, gleich Pierre und Don Vigilio, das Vorgehen des Kardinals anfangs mit Erstaunen verfolgt hatte, das sich dann in wahren Schrecken verwandelte.
»Gift, Gift! Ach, Dario, mein Herz, meine Seele!«
Aber der Kardinal hatte das Handgelenk seiner Nichte heftig erfaßt, indem er einen schrägen Blick auf die zwei dieser Scene beiwohnenden kleinen Priester, diesen Sekretär und diesen Fremden, warf.
»Schweig, schweig!«
Empört, von rufendem Zorn und Haß aufgebracht, machte sie sich mit einem Ruck los.
»Warum soll ich schweigen? Prada hat den Streich verübt, ich werde ihn anzeigen, ich will, daß auch er stirbt!... Ich sage Ihnen, es ist Prada ... ich weiß es, denn Herr Froment ist gestern in seinem Wagen mit dem Pfarrer Santobono und diesem Korb Feigen von Frascati zurückgefahren... Ja, ja, ich habe Zeugen, es ist Prada, es ist Prada!« »Nein, nein. Du bist wahnsinnig – schweig!«
Er hatte abermals die Hände der jungen Frau ergriffen und bemühte sich, sie mit seiner ganzen erhabenen Autorität zu bezwingen. Er, der den Einfluß kannte, den Kardinal Sanguinetti aus diesen Exaltirten, diesen Santobono ausübte, hatte sich bereits die Geschichte erklärt; es war nicht eine unmittelbare Mitschuld, aber ein heimlicher Druck; das Tier wurde gereizt, und dann in der Stunde, da der päpstliche Thron zweifellos frei werden würde, auf den lästigen Nebenbuhler losgelassen. Die Wahrscheinlichkeit, die Gewißheit davon war plötzlich vor seinen Augen aufgeblitzt, trotz der Lücken und Dunkelheiten, ohne daß er alles zu verstehen brauchte. Es war so, weil er fühlte, daß es so sein mußte.
»Nein, es ist nicht Prada, hörst Du? Dieser Mann hat keinen Grund, mir übel zu wollen, und auf mich allein war es abgezielt, mir hat man diese Früchte gegeben ... Höre, denke doch nach! Es bedurfte eines unvorhergesehenen Unwohlseins, um mich zu verhindern, meinen reichlichen Teil zu essen, denn man weiß, daß ich Feigen sehr liebe; und während mein armer Dario allein von ihnen kostete, scherzte ich und sagte zu ihm, er möge mir die schönsten für morgen aufheben ... Das Gräßliche war für mich und ihn hat es getroffen! O Herr! Durch den grausamsten Zufall, die ungeheuerlichste Dummheit des Schicksals ... Herr, Herr, du hast uns also verlassen!«
Thränen waren in seine Augen gestiegen, während sie, zitternd, noch nicht überzeugt zu sein schien. »Aber, Onkel, Sie haben gar keinen Feind; warum sollte dieser Santobono so auf Ihr Leben abzielen?«
Einen Augenblick blieb er stumm, ohne eine genügende Antwort finden zu können. Die Absicht, zu schweigen, bildete sich bereits in ihm in erhabener Größe. Dann fiel ihm etwas ein und er ergab sich ins Lügen.
»Santobono hat immer einen etwas wirren Kopf gehabt und ich weiß, daß er mich haßt, seit ich mich weigerte, seinen Bruder, einen unserer ehemaligen Gärtner, durch ein gutes Zeugnis, das er sicherlich nicht verdiente, aus dem Gefängnis zu befreien ... Solch ein tödlicher Groll hat oft keine ernsteren Ursachen. Er wird geglaubt haben, daß er sich an mir rächen muß.«
Da ließ sich Benedetta, zerbrochen, unfähig, weiter zu streiten, mit einer Geberde verzweifelter Ergebung auf einen Stuhl niederfallen.
»O Gott, o Gott! Ich weiß nicht mehr ... Und dann, was liegt daran, jetzt, wenn mein Dario so weit ist? Es gibt nur eines: er muß gerettet werden, ich will, daß er gerettet wird. Wie lange das dauert, was sie da in dem Zimmer machen! Warum holt Victorine uns nicht?«
Wieder trat eine bestürzte Stille ein. Der Kardinal ergriff, ohne zu sprechen, den Korb Feigen, trug ihn an einen Schrank, den er doppelt versperrte, und steckte dann den Schlüssel in die Tasche. Zweifellos nahm er sich vor, ihn gleich nach Anbruch der Nacht selbst verschwinden zu lassen, indem er zum Tiber hinabstieg und ihn hineinwarf. Aber als er vom Schrank zurückkehrte, erblickte er die beiden kleinen Priester, deren Blicke ihm notgedrungen gefolgt waren.
»Meine Herren,« sagte er einfach, groß, »ich brauche Sie nicht zu bitten, verschwiegen zu sein. Es gibt Aergernisse, die wir der Kirche, die nicht schuldig ist, nicht schuldig sein kann, ersparen müssen. Einen der Unseren, selbst wenn er ein Verbrecher ist, den bürgerlichen Gerichten überliefern, heißt oft die
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