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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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gesamte Kirche treffen, nachdem die bösen Leidenschaften sich der Angelegenheit bemächtigen, um die Verantwortlichkeit für das Verbrechen bis auf sie zu schieben. Wir brauchen den Mörder bloß den Händen Gottes zu übergeben, der ihn sicherer zu strafen wissen wird. Ah, für meinen Teil, mag ich in meiner Person oder meiner Familie, in meinen zärtlichsten Gefühlen getroffen sein – im Namen Christi, der am Kreuz gestorben, erkläre ich, daß ich weder Zorn noch ein Rachebedürfnis empfinde, daß ich den Namen des Mörders aus meinem Gedächtnis tilge und seine abscheuliche That in das ewige Schweigen des Grabes versenke!«
    Seine hohe Gestalt schien noch gewachsen zu sein, während er, die Hand weit ausstreckend, diesen Schwur aussprach, seine Feinde einzig der Gerechtigkeit Gottes überließ; denn er sprach nicht bloß von Santobono, sondern auch vom Kardinal Sanguinetti, dessen unheilvollen Einfluß er erraten hatte. Und bei dem Gedanken an den düstern Kampf um die Tiara, an all das Böse und Gierige, das sich im Grunde des Dunkels bewegte, erschütterte ihn in dem Heldentum seines Stolzes eine unendliche Betrübnis, ein tragisches Leid.
    Dann, als Pierre und Don Vigilio, Schweigen versprechend, sich verneigten, erstickte ihn eine unbesiegbare Bewegung, und das Schluchzen der Rührung, das er unterdrückte, brach ihm wider Willen aus der Brust.
    »O, mein armes Kind, mein armes Kind!« stammelte er. »Ah, der einzige Sohn unseres Geschlechtes, die einzige Liebe und einzige Hoffnung meines Herzens. O, sterben, so sterben!«
    Aber Benedetta hatte sich von neuem heftig erhoben.
    »Sterben? Wer denn? Dario? ... Ich lasse es nicht zu. Wir werden ihn pflegen, wir werden zu ihm zurück gehen. Und wir werden ihn in die Arme nehmen, wir werden ihn retten. Kommen Sie, Oheim, kommen Sie rasch ... Ich lasse ihn nicht sterben, ich lasse ihn nicht, ich lasse ihn nicht!«
    Sie schritt zur Thüre und nichts hätte sie hindern können, in das Zimmer zurückkehren; da erschien gerade Victorine mit verstörter Miene. Sie hatte trotz ihrer gewöhnlichen, heiteren Ruhe allen Mut verloren.
    »Der Doktor läßt die Signora und Seine Eminenz bitten, sofort zu kommen, aber sofort.«
    Pierre, der von diesen Dingen ganz betäubt aussah, folgte ihnen nicht, sondern blieb einen Augenblick mit Don Vigilio in dem sonnenbeschienenen Speisesaal zurück. Was, Gift! Gift, zierlich versteckt, wie zu den Zeiten der Borgia, von einem lichtscheuen Verräter, den man nicht einmal dem Gerichte anzuzeigen wagt, mit diesen Früchten vorgesetzt! Und er entsann sich seines Gespräches bei der Rückkehr von Frascati, wie er als Pariser sich skeptisch gegen jene legendenhaften Droguen verhalten hatte, die er nur im fünften Akt eines romantischen Dramas zuließ. Und doch waren sie wahr, diese abscheulichen Geschichten von den vergifteten Blumensträußen und Messern, von den lästigen Prälaten und sogar Päpsten, die man hinwegräumte, indem man ihnen die Morgenschokolade brachte; jetzt konnte er nicht mehr daran zweifeln: dieser leidenschaftliche, tragische Santobono war ein Giftmischer. Bei dieser erschreckenden Beleuchtung sah er den ganzen gestrigen Tag an sich vorüberziehen; er gedachte der ehrgeizigen und drohenden Worte, die er in der Wohnung des Kardinals Sanguinetti belauscht hatte, seiner Eile, noch vor dem wahrscheinlichen Tode des regierenden Papstes zu handeln, der Suggestion des Verbrechens im Namen der Rettung der Kirche; dann des Pfarrers, dem er mit seinem kleinen Korb Feigen auf der Landstraße begegnet war, dann dieses Korbes, der, von dem Priester andächtig auf den Knieen gehalten, so lange durch die Dämmerung der schwermütigen Campagna spazieren gefahren war – dieses Korbes, der ihn jetzt wie ein Alpdruck verfolgte, an dessen Form, Farbe und Geruch er stets mit einem Schauder denken würde. Gift, Gift! Es war also doch wahr! So etwas existirte, so etwas kreiste noch im Dunkel der schwarzen Gesellschaft, inmitten der grimmigen Eroberungs- und Herrschaftsgelüste!
    Und plötzlich erhob sich in der Erinnerung Pierres auch die Gestalt Pradas. Vorhin, als Benedetta ihn so heftig angeklagt hatte, war er einen Augenblick vorgetreten, um ihn zu verteidigen, um die ihm bekannte Geschichte des Giftes, den Punkt, von dem der Korb ausgegangen, die Hand, die ihn dargeboten, laut zu verkündigen. Aber gleich darauf ließ ihn eine Betrachtung erstarren; wenn Prada das Verbrechen auch nicht verübt, so hatte Prada es doch geschehen lassen.

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