Rom - Band III
Fürsten, der sich Gott hingegeben und nichts gegen das unvermeidliche Schicksal vermochte? Von Zeit zu Zeit kehrte er zu dem Bette zurück, überzeugte sich von den Fortschritten, die das Uebel machte, ersah aus dem Gesichte Darios, wie die Krisis stand und entfernte sich dann wieder mit demselben regelmäßigen Schritt. Er verschwand und kam wieder zum Vorschein, wie getragen von der einförmigen Regelmäßigkeit der Kräfte, die der Mensch nicht aufzuhalten vermag. Vielleicht täuschte er sich, vielleicht handelte es sich nur um ein einfaches Unwohlsein, über das der Arzt lächeln würde. Man mußte hoffen und warten. Und so ging und kam er immer wieder; und nichts konnte inmitten der schweren Stille angsterregender klingen, als die rhythmischen Schritte dieses hohen Greises, der das Schicksal erwartete.
Die Thür öffnete sich wieder; Victorine kehrte atemlos zurück.
»Der Arzt – ich habe ihn getroffen – da ist er!«
Doktor Giordano, mit seiner lächelnden Miene, seinem kleinen, rosigen Gesicht mit den weißen Locken, seiner ganzen, verschwiegenen, väterlichen Figur, die ihm das Aussehen eines liebenswürdigen Prälaten gab, trat ein. Aber kaum hatte er das Zimmer, alle diese geängstigten Leute erblickt, die ihn erwarteten, so wurde er sofort ernst und nahm die verschlossene Haltung, die unbedingte Ehrfurcht vor den kirchlichen Geheimnissen an, die ihm seine geistliche Kundschaft verschafft hatten. Und sobald er einen Blick auf den Kranken geworfen hatte, ließ er sich nur ein paar gemurmelte Worte entschlüpfen.
»Wie, schon wieder! Fängt das von neuem an!«
Zweifellos spielte er auf den Messerstich an, den er kürzlich behandelt hatte. Wer wütete denn gegen diesen armen, jungen Fürsten, der so harmlos war, so wenig belästigte? Uebrigens konnte ihn, mit Ausnahme Benedettas, niemand verstehen; aber diese befand sich in einem solchen Fieber der Ungeduld und brannte so nach Beruhigung, daß sie nicht zuhörte, nicht hörte, sondern abermals zu flehen begann.
»O Doktor, ich beschwöre Sie, sehen Sie ihn an, untersuchen Sie ihn, sagen Sie uns, daß es nichts zu bedeuten hat. Es kann nichts zu bedeuten haben, denn er war noch eben so wohl, so munter. Es ist nichts, es ist nichts, nicht wahr?«
»Gewiß, gewiß, Contessina – sicherlich ist es nichts ... wir werden sehen.«
Aber er hatte sich umgedreht und verbeugte sich tief vor dem Kardinal, der mit seinem gleichmäßigen, träumerischen Schritt aus dem Speisesaal zurückkehrte und sich unbeweglich zu Füßen des Bettes aufstellte. Zweifellos las er in den düsteren Augen, die sich auf die seinen richteten, eine tödliche Unruhe, denn er fügte nichts hinzu, sondern begann Dario zu untersuchen, wie einer, der den Wert der Minuten gefühlt hat. Und je mehr seine Untersuchung fortschritt, desto mehr nahm sein liebenswürdig optimistisches Gesicht einen bleichen Ernst, einen geheimen Schrecken an, die sich nur in einem leichten Zittern der Lippen zeigten. Gerade er war es gewesen, der Monsignore Gallo während des Anfalles beigestanden hatte, an dem er gestorben war – einem Anfall eines ansteckenden Fiebers, wie seine Diagnose für den Totenschein gelautet hatte. Zweifellos erkannte auch er dieselben schrecklichen Symptome, das bleigraue Gesicht, den Stumpfsinn einer schrecklichen Trunkenheit wieder, und als alter, römischer Arzt, der an plötzliche Todesfälle gewöhnt ist, fühlte er die böse Luft vorüberstreichen, die tötet, ohne daß die Wissenschaft noch recht erkannt hat, ob es die faule Ausdünstung des Tiber oder das uralte Gift der Legende ist.
Aber nun hob er wieder den Kopf und sein Blick begegnete von neuem dem dunklen Auge des Kardinals, das nicht von ihm wich.
»Herr Giordano, ich hoffe, Sie sind nicht allzu unruhig?« fragte der Kardinal endlich. »Es ist nur eine Verdauungsstörung, nicht wahr?«
Der Arzt verbeugte sich abermals. Er hatte an dem leichten Beben der Stimme die grausame Angst des mächtigen Mannes erkannt, der wieder an der empfindsamsten Stelle seines Herzens getroffen worden war.
»Eure Eminenz muß recht haben, es ist sicherlich eine Verdauungsstörung. Manchmal, wenn Fieber dazu kommt, sind solche Fälle gefährlich. Ich brauche Eurer Eminenz nicht zu sagen, wie sehr Eminenz auf meine Vorsicht und meinen Eifer zählen können.«
Er hielt inne, und fuhr gleich darauf mit dem bestimmten Tone des erfahrenen Arztes fort:
»Die Zeit drängt, wir müssen den Fürsten entkleiden und rasch handeln. Man soll
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