Rom - Band III
Hände Gottes gegeben, er war entschlossen, Dario selbst die letzte Oelung zu geben. Mit einer Geberde rief er Don Vigilio herbei und führte ihn in das kleine Nebengemach, das ihm als Kapelle diente. Er trug den Schlüssel dazu stets bei sich. Dieses kahle Zimmer, das niemand betrat, dieses Zimmer, in dem sich bloß ein kleiner, von einem großen, kupfernen Kruzifix überragter Altar aus gemaltem Holz befand, stand im Palaste im Rufe eines heiligen, unbekannten und schrecklichen Ortes; denn es hieß, daß Seine Eminenz dort die Nächte auf den Knieen, im Gespräch mit Gott in eigener Person zubrachte. Da er nun öffentlich eintrat, da er die Thür so weit offen ließ, mußte er wohl, in seinem Wunsch nach einem Wunder, Gott zwingen wollen, mit ihm daraus hervorzutreten.
Hinter dem Altar war ein Schrank angebracht worden, und der Kardinal trat an ihn heran, um Stola und Chorhemd zu holen. Die Büchse mit dem heiligen Oel befand sich gleichfalls hier; es war eine alte, silberne Büchse mit dem Wappen der Boccanera. Dann, nachdem Don Vigilio hinter dem Amtirenden ins Zimmer zurückgekehrt war, um ihm zu assistiren, wechselten sofort die lateinischen Worte mit einander ab.
» Pax huic domini .«
» Et omnibus habitantibus in ea .«
Der Tod kam so rasch, so drohend heran, daß alle gewöhnlichen Vorbereitungen notgedrungen unterblieben. Es waren weder die zwei Kerzen noch der kleine, mit einem weißen Tuch bedeckte Tisch vorhanden. Desgleichen mußte sich der Amtirende, da der Assistent weder Weihwasserkessel noch Weihwedel gebracht hatte, damit begnügen, das Zimmer und den Sterbenden mit einer Geberde zu segnen, indem er dabei die Worte des Rituals aussprach:
» Asperges me, Domine, hyssopo, et mundabor; lavabis me, et super nivem dealbabor .«
Als Benedetta den Kardinal mit der heiligen Oelung erscheinen sah, war sie, heftig erschauernd, zu Füßen des Bettes auf die Kniee gefallen, während Pierre und Victorine, von der schmerzlichen Größe des Schauspiels erschüttert, ebenfalls etwas weiter rückwärts niederknieten. Die ungeheuren, in dem schneebleichen Antlitz noch erweiterten Augen der Contessina wichen nicht von ihrem Dario, den sie nicht mehr erkannte; denn sein Gesicht war erdfahl, die Haut lohfarben und runzelig wie die eines Greises. Aber nicht für die von ihm bewilligte und gewünschte Trauung brachte ihr Oheim, der allmächtige Kirchenfürst, das Sakrament – nein, für die letzte Trennung, für das menschliche Ende jeglichen Stolzes, für den Tod, der die Geschlechter beendet und mitreißt, wie der Wind den Straßenstaub fegt.
Er konnte sich nicht aufhalten; rasch sagte er halblaut das Credo her.
» Credo in unum Deum .«
»Amen,« antwortete Don Vigilio.
Nach den rituellen Gebeten stammelte der letztere die Bittgebete, auf daß der Himmel sich des elenden Menschen erbarme, der nun vor Gott erscheinen würde, wenn ein Wunder Gottes ihn nicht begnadete.
Nun öffnete der Kardinal, ohne sich Zeit zum Händewaschen zu nehmen, die Büchse mit dem heiligen Oel, und sich mit einer einzigen Salbung begnügend, wie es im Notfall erlaubt ist, legte er mit dem silbernen Löffel einen einzigen Tropfen auf den ausgetrockneten, schon vom Tode gebleichten Mund.
» Per istam sanctam unctionem, et suam piissimam misericordiam, indulgeat tibi Dominus quidquid per visum, auditum, odoratum, gustum, tactum, deliquisti .«
Ach, mit welch gläubig brennendem Herzen sprach er diese Bitten um Vergebung aus, auf daß die göttliche Gnade die von den fünf Sinnen, diesen fünf der ewigen Versuchung offen stehenden Thüren der Seele, begangenen Sünden auslösche! Aber er that es noch in der Hoffnung, daß Gott, wenn er dies arme Wesen seiner Sünden wegen gestraft hatte, vielleicht, sobald er sie verziehen, so nachsichtig wäre, ihm das Leben wiederzugeben. Das Leben, o Herr, gib ihm das Leben wieder, damit dieses alte Geschlecht der Boccanera sich noch vermehre und fortfährt, dir durch alle Zeiten in der Schlacht und vor dem Altar zu dienen!
Einen Augenblick blieb der Kardinal mit bebenden Händen stehen und betrachtete, ein Wunder erwartend, das stumme Gesicht, die geschlossenen Augen des Sterbenden. Nichts geschah; ihm ging kein Lichtstrahl auf. Don Vigilio hatte den Mund eben mit einem Wattestückchen abgewischt, ohne daß ein Seufzer der Erleichterung von den Lippen ertönte. Das letzte Gebet war gesprochen, der Amtirende kehrte, von dem Assistenten gefolgt, inmitten der wieder eintretenden furchtbaren
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