Rom - Band III
entkleiden. Zuerst fiel das Leibchen des Kleides und die weißen Arme, die weißen Schultern leuchteten auf; dann glitten die Rücke nieder und die weißen Füße, die weißen Knöchel, der Schuhe entledigt, erblühten auf dem Teppich; dann schwanden die letzen Hüllen, eine nach der andern, und der weiße Leib, der weiße Busen, die weißen Schenkel entfalteten sich zu einer hohen, weißen Blüte. Mit naiver Kühnheit, einer erhabenen Ruhe, als befinde sie sich allein, hatte sie alles, bis auf den letzten Schleier zurückgezogen. Gleich einer großen Lilie stand sie in ihrer reinen Nacktheit, ihrer unbekümmerten, der Blicke nicht achtenden, königlichen Würde da, und erhellte, durchduftete das düstere Zimmer mit der Schönheit ihres Leibes. Er war ein Wunder der Schönheit, die lebendige Vervollkommnung der schönsten Marmorgestalten. Der Hals einer Königin, die Brust einer Kriegsgöttin, die stolze, geschmeidige Linie von der Schulter bis zur Ferse, die heiligen Rundungen der Glieder und der Hüften. Und sie war so weiß, daß keine Marmorstatue, keine Taube, der Schnee selber nicht weißer waren als sie.
»Mein Dario, da bin ich, da bin ich!« Pierre und Viktorine, wie von einer Erscheinung, von dem glorreichen Aufflammen einer heiligen Vision zu Boden geworfen, sahen sie geblendeten Auges an. Die letztere hatte nicht einmal eine Bewegung gemacht, um sie in ihrem außerordentlichen Thun aufzuhalten; jene Art entsetzter Ehrfurcht, die man angesichts des Liebes- oder Glaubenswahnsinns empfindet, hatte sie überwältigt. Und er, gelähmt, fühlte etwas so Großes vorüberstreichen, daß er nur noch eines Schauers erschreckter Bewunderung fähig war. Nichts Unreines strömte ihm aus dieser schneeigen, lilienweißen Nacktheit, von dieser reinen, edlen Jungfrau entgegen, deren Körper in seinem eigenen Licht, in dem Glanz der in ihm brennenden, mächtigen Liebe strahlte. Sie verletzte ihn nicht mehr als ein wahrheitsgetreues, vom Genius verklärtes Kunstwerk.
»Mein Dario, da bin ich, da bin ich!«
Und Benedetta nahm, nachdem sie sich hingelegt, den sterbenden Dario in ihre Arme. Seine Arme hatten nur noch die Kraft, sich über ihr zu schließen. Das hatte sie ja schließlich gewollt, trotz ihrer scheinbaren Ruhe, trotz der lilienhaften Reinheit ihrer Beharrlichkeit, unter der die glühende Raserei eines Brandes tobte. Diese Heftigkeit hatte sie immer verzehrt, selbst in ruhigen Stunden. Jetzt, da das abscheuliche Schicksal ihr den Geliebten stahl, wollte sie sich nicht darin ergeben, sich noch ferner prellen zu lassen; sie wollte ihn nicht verlieren, ohne sich ihm hingegeben zu haben, da sie so albern gewesen, sich ihm nicht zu geben, als beide noch in lächelnder Zärtlichkeit und Kraft strahlten. In ihrem Wahnsinn ward die Empörung der Natur offenbar; es war der unbewußte Aufschrei des Weibes, das nicht unfruchtbar sterben wollte, unnütz wie ein Samenkorn, das ein unheilvoller Wind davonträgt und aus dem kein neues Leben mehr keimen wird.
»Mein Dario, da bin ich, da bin ich!«
Sie umfaßte ihn mit ihren nackten Gliedern, mit ihrer ganzen, nackten Seele. In diesem Augenblick erblickte Pierre an der Wand zu Häupten des Bettes das Wappen der Boccanera, ein altes, in Gold und farbiger Seide gesticktes Panneau auf lila Sammet. Ja wohl, das war der beflügelte Drache, der in die Flamme blies, das war die wilde, feurige Devise: » Bocca nera, alma rossa ,« – schwarzer Mund, rote Seele – der Mund von einem Brüllen verdunkelt, die Seele eine flammende Glut des Glaubens und der Liebe. Dies ganze, leidenschaftliche, heftige Geschlecht mit den tragischen Legenden war wieder auferstanden, um seine letzte, herrliche Tochter zu dieser furchtbaren und seltsamen Verlobung im Tode zu treiben. Aber der Anblick des gestickten Wappens erweckte in ihm noch eine andere Erinnerung – die Erinnerung an das Porträt der Cassia Boccanera, der Liebenden, der Richterin, die sich mit ihrem Bruder Ercole und dem Leichnam ihres Geliebten, Flavio Corradini, in den Tiber gestürzt hatte. War das nicht dieselbe verzweifelte Umarmung, die den Tod zu besiegen trachtete, dieselbe Wildheit, die sich mit dem Körper des Vielgeliebten, des Erwählten, Einzigen in den Abgrund stürzte? Die beiden – sie, die da oben auf dem Gemälde wieder auflebte und die, die hier mit ihrem Geliebten starb – ähnelten einander mit ihren gleichen, zarten Kinderzügen, demselben verlangenden Munde und denselben großen, träumerischen Augen in
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