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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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sie ihn nicht mehr ansah, daß ihre klaren Augen nicht mehr auf ihn gerichtet waren, streckte er ihr, rasend vor Furcht, in einem letzten Krampf aufschluchzend, von neuem die Arme entgegen.
    »Benedetta, Benedetta!«
    »Ich komme, ich komme, mein Dario ... da bin ich!«
    Sie war noch näher herangetreten und neben dem Bette stehend, berührte sie ihn fast.
    »Ach, ich hatte der Madonna geschworen, keinem Manne, selbst Dir nicht anzugehören, ehe Gott es nicht durch den Segen eines seiner Priester erlaubt hätte! Ich fand eine höhere, göttliche Würde darin, unbefleckt, jungfräulich wie die Jungfrau, ohne Kenntnis der Verunreinigungen und Niedrigkeiten des Fleisches zu sein. Aber es war auch ein erlesenes, seltenes Liebesgeschenk von unschätzbarem Wert, das ich dem von meinem Herzen erwählten Geliebten geben wollte, damit er für ewig der einzige Herr über meine Seele und meinen Körper sei... Diese Jungfräulichkeit, auf die ich so stolz war, habe ich gegen den andern verteidigt, mit den Zähnen und den Nägeln, wie man sieh gegen einen Wolf wehrt – ich habe sie unter Thränen gegen Dich verteidigt, damit Du den Schatz nicht in einem weiheschänderischen Fieber, vor der heiligen Stunde der erlaubten Wonne beschmutztest... Und wenn Du wüßtest, was für schreckliche Kämpfe ich auch gegen mich selbst führte, um nicht nachzugeben! Ich empfand ein wahnsinniges Verlangen, Dir zuzuschreien: ›Nimm mich, besitze mich, trag mich fort!‹ Denn ich wollte Dich ganz besitzen, mich ganz gab ich Dir hin – ja, ohne Rückhalt, als ein Weib, das die ganze Liebe, die Liebe, die zur Gattin und zur Mutter macht, kennt, annimmt und fordert ... Ah, unter welchen Schmerzen habe ich der Madonna meinen Schwur gehalten, wenn das alte Blut wie ein Sturm durch mich brauste! Und nun, welches Unglück!«
    Sie trat noch näher heran, während ihre leise Stimme immer inniger ward.
    »Erinnerst Du Dich an den Abend, an dem Du mit einem Messerstich in der Schulter heimkehrtest ... Ich hielt Dich für tot und schrie vor Raserei bei dem Gedanken, daß Du von hinnen gingst, daß ich Dich verlieren sollte, ohne daß wir das Glück kennen gelernt hätten. Ich schmähte die Madonna, ich bereute in jenem Augenblick, nicht mit Dir unselig geworden zu sein, um mit Dir zu sterben, in einer so festen Umarmung verstrickt, daß man uns zusammen hätte begraben müssen ... Und diese furchtbare Warnung sollte zu nichts gedient haben! Ich war blind, dumm genug, die Lehre nicht zu verstehen! Nun hat es Dich von neuem heimgesucht – man hat Dich meiner Liebe gestohlen und Du gehst von hinnen, ehe ich mich Dir endlich gegeben, so lange es noch Zeit gewesen ... Ah, elendes, stolzes Weib, alberne Träumerin!«
    Was jetzt in ihrer erstickten Stimme grollte, das war der Zorn der praktischen und vernünftigen Frau, die sie stets gewesen, gegen sich selbst. Wollte denn die Madonna, die so mütterlich war, das Unglück der Liebenden? Inwiefern hätte es sie erzürnt oder betrübt, sie so glücklich, so leidenschaftlich Arm in Arm zu sehen? Nein, nein, die Engel weinten nicht, wenn zwei Liebende, selbst ohne den Priester, sich auf Erden liebten; im Gegenteil, sie lächelten, sie sangen vor Jubel. Sicherlich, es war ein abscheulicher Betrug, daß man die Freude nicht auskosten sollte, auf Erden zu lieben, wenn das lebendige Blut in den Adern pochte.
    »Benedetta, Benedetta!« widerholte der Sterbende voll kindischen Entsetzens, daß er so ganz allein in die ewige, schwarze Nacht hinaus mußte.
    »Da bin ich, da bin ich, Dario – ich komme!«
    Dann, da sie glaubte, daß die Dienerin, die doch so unbeweglich blieb, eine Bewegung gemacht habe, um sich zu erheben und sie an ihrem Thun zu hindern, setzte sie hinzu:
    »Laß, laß, Victorine. Nichts in der Welt kann es fortan hindern, denn es ist stärker als alles, stärker als der Tod. Vorhin, als ich kniete, hat etwas mich aufgerichtet, vorwärts getrieben. Ich weiß, wohin ich gehe ... Und übrigens, hab' ich es nicht an dem Abend, da er den Messerstich erhielt, geschworen? Hab' ich nicht versprochen, ihm allein zu gehören, sogar in der Erde, wenn es sein müßte? Laßt mich ihn küssen – mag er mich mit sich nehmen! Wir werden tot sein und doch vermählt, für ewig vermählt!«
    Sie kehrte zu dem Sterbenden zurück, berührte ihn jetzt.
    »Mein Dario, da bin ich, da bin ich!« Und da geschah etwas Unerhörtes. In wachsender Exaltation, getragen von einer hellen Flamme der Liebe, begann sie sich ohne Hast zu

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