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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Angesichts dieser herrlichen Liebe des Anstands kühn nicht achtend, bis ins Innerste von dem Leid ihres Lebens und der Schönheit ihres Todes bewegt, machte er eine majestätische Geberde der Lossprechung, der Heiligung, als lasse er als Fürst der Kirche, der über die Wünsche des Himmels gebot, die beiden umschlungenen Liebenden hiermit vor das letzte Gericht zu.
    »Laß sie, laß sie, meine Schwester! Störe ihren Schlummer nicht ... Mögen ihre Augen offen bleiben, da sie sich bis ans Ende der Zeiten anschauen wollen, ohne dessen je satt zu werden! Mögen sie doch Arm in Arm schlafen, da sie während ihres Lebens nicht gesündigt, da sie sich in einer solchen Umarmung nur verknüpfen, um sich in die Erde zu legen! Zwei Boccanera können so schlafen,« fügte er hinzu und ward wieder der römische Fürst mit dem stolzen, von alten Schlachten und Leidenschaften noch heißen Blut, »ganz Rom wird sie bewundern und beweinen. Laß sie, laß sie einander, meine Schwester. Gott kennt sie und erwartet sie.«
    Alle Anwesenden waren niedergekniet; der Kardinal selbst sprach die Totengebete. Die Nacht kam heran; ein wachsender Schatten überzog das Zimmer, in dem bald zwei Kerzen wie zwei Sterne glänzten.
    Dann fand sich Pierre, ohne daß er wußte, wie es geschehen war, in dem kleinen, vernachlässigten Garten des Palastes am Tiberufer wieder. Er mußte wohl, vor Müdigkeit und Kummer erstickend, in dem Bedürfnis nach Luft hinabgestiegen sein. Die Finsternis überflutete die reizenden Winkel, den alten Sarkophag, wo der aus der tragischen Maske herabfließende dünne Wasserfaden sein zartes Flötenlied sang, und der Lorbeerbaum, der ihn beschattete, die Tobirabüsche, die Orangenbäume der Einfassungen waren unter dem blauschwarzen Himmel nichts mehr als undeutliche Massen. Ach, wie milde und heiter war dieser köstliche, schwermütige Garten am Morgen gewesen! Und was für ein trostloses Echo hinterließ darin das Lachen Benedettas, diese ganze, tönende Freude auf das nahe Glück, das nun da oben in dem Nichts der Dinge und der Wesen lag! Sein Herz war so schmerzlich zusammengepreßt, daß er in lautes Schluchzen ausbrach, während er auf derselben Stelle saß, wo sie gesessen hatte, auf dem umgestürzten Säulenfragment, in der Luft, die sie eingeatmet, die den reinen Duft des anbetungswürdigen Weibes bewahrt hatte.
    Plötzlich schlug eine Turmuhr in der Ferne sechs, und Pierre fuhr jäh zusammen, indem er sich erinnerte, daß er am selben Abend um neun Uhr vom Papst empfangen werden sollte. Noch drei Stunden. Während der furchtbaren Katastrophe hatte er nicht daran gedacht; es schien ihm, daß Monate und Monate seither verstrichen waren, und es fiel ihm wieder ein, wie ein sehr altes Stelldichein, zu dem man nach jahrelanger Abwesenheit, gealtert, durch zahllose Ereignisse an Herz und Geist verändert, erscheint. Mühsam faßte er wieder Fuß. In drei Stunden würde er in den Vatikan gehen, würde er endlich den Papst sehen.

XIV.
    Abends, als Pierre aus dem Borgo vor dem Vatikan heraustrat, that die Uhr inmitten der tiefen Stille des verdunkelten und bereits schlummernden Viertels einen lauten, tönenden Schlag: halb neun. Er war zu früh gekommen. Er beschloß zwanzig Minuten zu warten, um erst um neun Uhr, genau zur Stunde der Audienz, oben an der Thür der Gemächer zu erscheinen.
    In der unendlichen Erregung und Trauer, die ihm das Herz zusammenpreßten, war diese Frist ihm eine Erleichterung. Als er anlangte, fühlte er sich von dem tragischen Nachmittag, den er in jenem Totenzimmer verbracht hatte, wo Dario und Benedetta jetzt, Arm in Alm, ihren ewigen Schlaf schliefen, an allen Gliedern zerschlagen, furchtbar matt. Er hatte nicht essen können; das grausame, schmerzliche Bild der zwei Liebenden verfolgte ihn und erfüllte ihn so, daß unwillkürliche Seufzer seiner Brust entfuhren, während unablässig Thränen in seine Augen traten. Ach, wie gern hätte er sich verstecken, nach Herzenslust weinen, das ungeheure Bedürfnis nach Thränen befriedigen mögen, an dem er erstickte! Es war eine Rührung, die sein ganzes Denken in Anspruch nahm; der klägliche Tod der beiden Liebenden fügte sich in seinem Geiste der aus seinem Buche hervorgehenden Klage an und erfüllte ihn mit einem noch größern Mitleid, einer wahrhaft angstvollen Nächstenliebe für alle Elenden und alle Leidenden dieser Welt. Diese Heraufbeschwörung so vieler körperlicher und moralischer Wunden in diesem Paris, in diesem Rom, wo er so

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