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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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demselben runden, klugen und störrischen Gesichtchen wie zwei Schwestern. Es war, als ob die letztere nur der wiederkehrende Geist der andern sei.
    »Mein Dario, da bin ich, da bin ich!«
    Eine Ewigkeit, vielleicht eine Sekunde lang, umfaßten sie sich. Sie legte in ihre Hingabe eine Raserei, eine heilige Raserei, die über das Leben hinaus, bis in die dunkle Unendlichkeit des Unbekannten ging, das nun für sie begann. Ohne Furcht oder Widerwillen vor dem Uebel, das ihn unkenntlich machte, vermischte sie sich, verschmolz sie mit ihm; und er, der während dieses großen Glückes, dessen Seligkeit ihm endlich zu teil geworden, verschieden war, blieb mit zusammengepreßten, fest um sie geschlungenen Armen liegen, als trage er sie mit sich fort. Da aber – geschah es aus Schmerz über diesen unvollständigen Besitz, bei dem Gedanken an ihre unnütze Jungfräulichkeit, die nicht mehr befruchtet werden konnte, oder geschah es inmitten der höchsten Freude über den mit der ganzen Willenskraft ihres Wesens trotz alledem erfolgten Vollzug der Ehe? – da stieg bei dieser Umarmung des ohnmächtigen Todes ein solcher Blutstrom in ihr Herz, daß es brach. Fest an einander gepreßt, für ewig Arm in Arm lag sie tot am Halse ihres toten Geliebten.
    Ein Stöhnen ertönte; Victorine war näher getreten und hatte alles begriffen. Pierre, der ebenfalls aufgestanden war, zitterte, von dem erhabenen Anblick emporgetragen, vor Bewunderung und Thränen.
    »Sehen Sie nur, sehen Sie!« stammelte die Dienerin mit sehr leiser Stimme. »Sie rührt sich nicht mehr, sie atmet nicht mehr. Mein armes Kind, mein armes Kind! Sie ist tot!«
    Und der Priester murmelte:
    »Gott, wie schön sie sind!«
    Das war wahr; noch nie hatte eine so hohe, so strahlende Schönheit auf Totengesichtern geleuchtet. Das eben noch erdfahle und gealterte Gesicht Darios hatte eine Marmorblässe, eine marmorne Hoheit angenommen, und die Züge hatten sich wie in einer Aufwallung unaussprechlichen Jubels gestreckt, vereinfacht. Benedetta blieb sehr ernst; eine leidenschaftlich energische Falte lag um ihre Lippen, während das ganze, unendlich weiße Gesicht eine schmerzliche, unendliche Seligkeit ausdrückte. Ihre Haare vermischten sich und ihre weit offenen, tief in einander schauenden Augen blickten sich endlos, in ewig süßer Liebkosung an. Sie waren das für immer verknüpfte, im vollen Zauber seines Bundes in die Unsterblichkeit hinübergegangene Paar, das den Tod besiegt hatte. Die verzückte Schönheit der unsterblichen, sieghaften Liebe strahlte von ihm aus.
    Aber das Schluchzen Victorinens brach endlich los und mischte sich mit solchen Klagerufen, daß eine ganze Verwirrung entstand. Pierre, jetzt ganz verstört, konnte sich nicht recht erklären, wieso das Zimmer sich mit einemmale mit Leuten füllte, die eine Art verzweifelter Schrecken erregte. Der Kardinal war wohl mit Don Vigilio aus seiner Kapelle herbeigeeilt. Zweifellos brachte Doktor Giordano in dieser Minute auch die von dem nahen Tode ihres Neffen benachrichtigte Donna Serafina zurück; denn sie war jetzt hier, betäubt von den auf einander folgenden Donnerschlägen, die das Haus trafen. Der Doktor selbst befand sich in jenem unruhigen Erstaunen ganz alter Aerzte, deren Erfahrung fortwährend vor den Thatsachen erschrickt, und versuchte, eine Erklärung zu geben, indem er zögernd sagte, es sei möglicherweise eine Pulsadergeschwulst, vielleicht eine Embolie.
    Victorine wagte es, ihn zu unterbrechen. Der Schmerz stellte sie, die Dienerin, ihrer Herrschaft gleich.
    »Ach, Herr Doktor, sie haben sich beide zu viel geliebt! Genügt das nicht, um zusammen zu sterben?«
    Donna Serafina wollte, nachdem sie die Stirne der teuren Kinder geküßt hatte, ihnen die Augen schließen. Aber es gelang ihr nicht; die Lider öffneten sich wieder, sobald der Finger von ihnen wich, und die Augen begannen einander wieder zuzulächeln und die Liebkosung ihres ewigen Blickes starr mit einander zu tauschen. Als sie aber davon sprach, daß man, um des Anstands willen, die beiden Körper trennen müßte und dabei ihre Glieder zu lösen versuchte, rief Victorine abermals:
    »O Signora, Signora, Sie werden ihnen eher die Arme brechen! Sehen Sie doch, man könnte meinen, daß die Finger in die Schultern hineingewachsen sind. Nie werden sie von einander lassen.«
    Nun mischte sich der Kardinal ein. Gott hatte kein Wunder gethan. Er war leichenfahl, thränenlos, in einer eisigen Verzweiflung, die ihn größer erscheinen ließ.

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