Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
Vom Netzwerk:
vieles zu, gestand die begangenen Fehler ein und anerkannte den beklagenswerten Zustand der Finanzen, die ernsten Schwierigkeiten aller Art. Ach, seine Eroberung, sein angebetetes Italien, für das er gern wieder das Blut aus seinen Adern hergegeben hätte – in welch tödliche Sorgen, in welch unsagbare Leiden war es von neuem geraten! Sie hatten aus verzeihlichem Stolz gesündigt, sie waren zu rasch vorgegangen, indem sie ein großes Volk improvisiren, indem sie aus dem antiken Rom mit einem Zauberschlage eine große, moderne Hauptstadt machen wollten. Daher rührte der Wahnsinn der neuen Viertel, diese wahnwitzige Spekulation in Gründen und Bauten, die die Nation dem Bankerott so nahe gebracht hatte.
    Pierre unterbrach ihn sanft, um ihm die Formel mitzuteilen, zu der er nach seinen Gängen und Studien in Rom gelangt war.
    »O, dieses Fieber, diese Freßlust der ersten Zeit, dieser finanzielle Zusammenbruch ist noch nichts. Alle Wunden, die das Geld schlägt, heilen wieder. Aber das Schlimme ist, daß euer Italien erst geschaffen werden muß ... Es hat keine Aristokratie mehr, noch kein Volk, nur ein erst geborenes, gefräßiges Bürgertum, das im Begriff ist, die reiche künftige Ernte auf dem Halme zu verzehren.«
    Ein Schweigen entstand. Orlando schüttelte traurig den Kopf, wie ein alter, fortan ohnmächtiger Löwe. Die harte Deutlichkeit der Formel traf ihn ins Herz.
    »Ja, ja, das ist der Grund; Sie haben richtig beobachtet. Warum lügen, warum es leugnen, da die Thatsachen da sind und allen in die Augen springen? Mein Gott, dieses Bürgertum, diese Mittelklasse, von der ich Ihnen bereits erzählt habe, daß sie auf Stellen, Aemter, Auszeichnungen, Federbüsche so erpicht und dabei so geizig ist, ihr Geld so hütet, daß sie es in Banken anlegt und nie in der Agrikultur, in der Industrie oder im Handel aufs Spiel setzt! Sie wird bloß von dem Bedürfnis verzehrt, zu genießen, ohne etwas zu thun, und ist so unintelligent, daß sie nicht einsieht, daß sie ihr Land durch diesen Ekel vor der Arbeit, diese Verachtung des Volkes, durch die einzige Leidenschaft, kleinbürgerlich, umgeben von der Gloriole, irgend einer Verwaltungsbehörde anzugehören, zu leben, tötet ... Und diese sterbende Aristokratie, dieses entthronte, ruinirte, in die Entartung endender Rassen herabgesunkene Patriziat! Der größte Teil davon ist ins Elend geraten, die anderen, die wenigen, die noch ihr Geld behalten haben, werden unter zu schweren Steuern erdrückt, besitzen nur noch tote Vermögen, die sich nicht mehr erneuen können, durch fortwährende Teilungen vermindert werden und bestimmt sind, mit den Fürsten selbst in dem Zusammenbruch der alten, nun nutzlos gewordenen Paläste zu verschwinden. Und endlich das Volk, dieses arme Volk, das so viel gelitten hat, noch leidet, aber an sein Leid so gewöhnt ist, daß es nicht einmal den Gedanken an ein Losreißen zu fassen scheint. Blind und taub treibt es die Dinge so weit, daß es vielleicht die ehemalige Dienstbarkeit zurückwünscht, liegt in stumpfer Niedergeschlagenheit wie ein Tier auf seinem Mist da, ist vollständig unwissend – diese abscheuliche Unwissenheit ist die einzige Ursache seines Elends – hat keine Hoffnung, kein Morgen, nicht einmal den Trost, zu verstehen, daß wir dieses Italien, dieses Rom nur für das Volk, einzig und allein für das Volk erbaut haben und es in seinem einstigen Glanze wiederaufstehen zu lassen bemüht sind. Ja, ja, keine Aristokratie mehr, noch kein Volk und ein so beunruhigendes Bürgertum! Da muß man manchmal der Angst der Pessimisten, jener Leute erliegen, die behaupten, daß all unser Unglück noch nichts ist, daß wir noch viel schrecklicheren Katastrophen entgegengehen, als ob wir erst bei den ersten Symptomen des Endes unserer Rasse, den Vorläufern der letzten Vernichtung wären!«
    Er hatte seine langen, zitternden Arme dem Fenster, dem Licht entgegengestreckt, und Pierre erinnerte sich mit tiefer Bewegung an jene angstvoll stehende Geberde, die der Kardinal tags zuvor bei seinem Appell an die göttliche Macht gemacht hatte. Diese beiden, im Glauben so entgegengesetzten Männer besaßen dieselbe verzweifelte, wilde Größe.
    »Und doch haben wir, wie ich Ihnen schon am ersten Tage sagte, nur etwas Logisches und Unvermeidliches gewollt. Dieses Rom, das mit seiner glänzenden und gebietenden Vergangenheit so schwer auf uns lastet – wir mußten es zur Hauptstadt nehmen, denn Rom allein war das Band, das lebende Sinnbild unserer

Weitere Kostenlose Bücher