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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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außerordentlichen Gestalt, die da aufstieg – dem letzten Papst, der das Leichenbegängnis des Katholizismus anführte. Er begriff, daß Boccanera oft davon geträumt haben mußte; er dachte ihn sich, wie er in seinem Vatikan, in seinem vom Blitz aufgerissenen St. Peter aufrecht, allein inmitten der ungeheuren Säle stand, die sein entsetzter, feiger Hofstaat verlassen hatte. Langsam, gekleidet in die weiße Sutane – solcherart in Weiß um die Kirche trauernd – stieg er noch einmal in das Heiligtum hinab, um dort zu warten, bis der Himmel am Abend der Zeiten herabfiele und die Erde zermalmte. Dreimal richtete er das große Kruzifix auf, das die letzten Krämpfe des Bodens umgeworfen hatten. Dann, als das letzte Krachen den Marmorboden spaltete, riß er es in seine Arme und verschwand mit ihm unter den einbrechenden Gewölben. Und eine königlichere, eine wildere Größe konnte es nicht geben.
    Mit einer Geberde – denn er hatte keine Stimme mehr – aber ohne Schwäche, unbesiegbar und trotz allem seine hohe Gestalt gerade aufrichtend, verabschiedete der Kardinal den jungen Priester. Dieser fand in seiner Leidenschaft für die Schönheit und Wahrheit daß er allein groß sei, daß er allein recht habe, und küßte ihm die Hand.
    Am Abend, als die Besuche aufgehört hatten, bei angebrochener Nacht, schloß man die Thüren des Thronsaales und machte sich an die Sarglegung. Die Messen waren beendigt, die Glöckchen der Aufhebung klingelten nicht mehr, das Gestammel der lateinischen Worte verstummte, nachdem es zwölf Stunden lang den beiden teuren, toten Kindern ins Ohr geklungen hatte. Nichts war mehr übrig als der ersterbende Duft der Rosen, der heiße Geruch der zwei Wachskerzen in der stillen, schweren Luft. Da die Kerzen mit ihren zwei blassen Sternen den ungeheuren Saal gar nicht erleuchteten, hatte man Lampen herbeigebracht, die die Bedienten gleich Fackeln in der Faust hielten. Der Sitte gemäß waren alle Diener des Hauses anwesend, um ihren Herren, die für immer zur Ruhe gehen sollten, ein letztes Lebewohl zu sagen.
    Es entstand eine Verzögerung. Morano, der seit dem frühen Morgen eifrig bemüht war, über die tausend Einzelheiten zu wachen, lief noch einmal weg, da der dreifache Sarg zu seiner Verzweiflung nicht kam. Endlich trugen ihn Bediente herauf und man konnte anfangen. Der Kardinal und Donna Serafina standen neben einander bei dem Bette. Auch Pierre stand dort, desgleichen Don Vigilio. Victorine begann die beiden Liebenden in ein einziges Leichentuch, ein großes Stück weiße Seide, zu hüllen; es war, als bekleide man sie mit demselben Brautgewande, dem heitern, reinen Kleide ihres Bundes. Dann traten zwei Bediente vor und halfen Pierre und Don Vigilio, sie in den ersten Sarg zu legen, der aus Fichtenholz und mit rosa Atlas ausgefüttert war. Er war gar nicht breiter, als die gewöhnlichen Särge es sind – so jung, von so zarter Anmut waren die beiden Liebenden, so eng verknüpfte sie die Umarmung, die einen einzigen Körper aus ihnen machte. Als sie im Sarge lagen, setzten sie darin ihren ewigen Schlaf fort; ihr duftendes Haar, das sich mit einander mischte, verbarg halb die beiden Köpfe, und als dieser erste Sarg in den zweiten aus Blei und dann in den dritten aus Eichenholz eingeschlossen worden war, als die drei Deckel verlötet und zugeschraubt worden waren, konnte man die Gesichter der zwei Liebenden noch immer durch die runde, mit einer dicken Glasscheibe versehene Oeffnung, die nach römischer Sitte in allen drei Särgen angebracht war, erblicken. Auf ewig von den Lebenden getrennt, allein auf dem Grunde dieses dreifachen Sarges, lächelten sie einander noch immer zu und sahen sich noch immer mit ihren beharrlich offen bleibenden Augen an. Sie hatten nun die Ewigkeit für sich, um ihre unendliche Liebe auszukosten.

XVI.
    Am nächsten Tage, nach der Rückkehr vom Friedhof, nach der Beerdigung, frühstückte Pierre allein auf seinem Zimmer; er behielt sich vor, nachmittags vom Kardinal und Donna Serafina Abschied zu nehmen. Am Abend, mit dem Zuge, der um zehn Uhr siebenzehn Minuten abging, sollte er Rom verlassen. Nichts hielt ihn mehr zurück; er hatte nur noch einen Besuch zu machen, der ihm am Herzen lag – einen letzten Besuch bei dem alten Orlando, dem Helden der Unabhängigkeit, dem er förmlich versprochen, nicht nach Paris zurückzukehren, ohne vorher ein langes Gespräch mit ihm gehabt zu haben. Gegen zwei Uhr ließ er sich einen Fiaker holen, der ihn in die Via Venti

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