Rom - Band III
Einheit und zugleich die Verheißung der Ewigkeit, die Erneuerung unseres großen Traumes von Auferstehung und Ruhm.«
Er sprach weiter, indem er alle unglücklichen Eigenschaften, die Rom als Hauptstadt besaß, anerkannte. Es war eine reine Dekorationsstadt, eine Stadt, deren Boden erschöpft, die abseits vom modernen Leben liegen geblieben war, eine ungesunde Stadt, in der weder Industrie noch Handel möglich waren, eine Stadt, die inmitten der sterilen Wüste ihrer Campagna von einem unbesiegbaren Tode überkommen ward. Dann stellte er sie den anderen Städten an die Seite, die auf sie eifersüchtig waren: Florenz, das so gleichgiltig und dabei so skeptisch geworden war, das eine nach den rasenden Leidenschaften, den Blutströmen seiner Vergangenheit unerklärliche, glückliche Sorglosigkeit besaß; Neapel, dem noch seine helle Sonne genügt, Neapel mit seinem Kind gebliebenen Volk, von dem man nicht weiß, ob man es seines Elends und seiner Unwissenheit wegen bemitleiden soll, da es sich an ihnen so träge zu werden scheint; Venedig, das sich darein ergibt, nichts anderes zu sein als ein Wunder der alten Kunst, das man unter Glas setzen sollte, um es unversehrt zu erhalten, das in dem Prunk und der Hoheit seiner Annalen eingeschlafen ist; Genua, ganz seinem thätigen, lärmenden Handel hingegeben, eine der letzten Königinnen des Mittelmeeres, dieses heutzutage geringen Sees, der einst das üppige Meer, der Mittelpunkt war, durch den sich alle Reichtümer der Welt wälzten; Turin und vor allem Mailand, diese so lebhaften, so modernen Industrie- und Handelsstädte, die die Touristen als nichtitalienisch mißachten, die sich beide aus dem Ruinenschlaf retteten und in die westliche Entwicklung eintraten, die das nächste Jahrhundert vorbereitet. Ach, dieses alte Italien! Mußte man es also wie ein staubiges Museum, gleich jenen erlesenen Nippes, die man aus Furcht, ihren Charakter zu zerstören, nicht auszubessern wagt, zum Vergnügen der Künstlerseelen zusammenfallen lassen, so wie seine kleinen Städte in Umbrien und Toskana es schon thun? Also entweder ein naher, unvermeidlicher Tod oder die Haue der Niederreißer, das Zubodenwerfen schwankender Mauern, das Schaffen von Städten der Arbeit, der Wissenschaft, der Gesundheit, kurz ein ganz neues, wirklich aus der Asche entstehendes, für die neue Zivilisation der Menschheit geschaffenes Italien!
»Aber warum sollten wir verzweifeln?« fuhr er mit Macht fort. »Wenn Rom auch schwer auf unseren Schultern lastet, so ist es doch nichtsdestoweniger der Gipfel, den wir erreichen wollten. Wir sind dort angelangt, wir bleiben dort und warten die Ereignisse ab ... Uebrigens, wenn die Bevölkerung auch aufgehört hat, zuzunehmen, so bleibt sie doch bei etwa viermalhunderttausend Seelen stehen, und an dem Tage, da die Ursachen, die die steigende Flut hemmten, verschwinden, kann sie ruhig wieder zu steigen anfangen. Wir haben das Unrecht begangen, zu glauben, daß Rom ein Berlin, ein Paris werden würde; bisher scheinen sich dem alle Arten von sozialen, historischen, sogar ethischen Verhältnisse zu widersetzen. Aber wer kennt die Ueberraschungen, die das Morgen bringen kann? Kann man uns die Hoffnung, den Glauben untersagen, der in dem in unseren Adern fließenden Blute liegt – dem Blute der einstigen Welteroberer? Ich, ein Zerschmetterter, ein Vernichteter, der ich mich mit meinen toten Beinen nicht mehr aus diesem Zimmer rühre, ich habe Stunden, da mein Wahnwitz mich wieder packt, da ich an Rom wie an meine unbesiegbare, unsterbliche Mutter glaube, da ich die zwei Millionen Einwohner erwarte, die kommen müssen, um jene traurigen, leeren und schon zusammenbrechenden neuen Viertel, die Sie besuchten, zu bevölkern. Gewiß, sie werden kommen. Warum sollten sie denn nicht kommen? Sie werden sehen, Sie werden sehen, alles wird sich bevölkern, man wird noch dazu bauen müssen. Und dann, offen gestanden: kann man eine Nation, die die Lombardei besitzt, arm nennen? Ist unser Süden an und für sich nicht schon ein unerschöpflicher Reichtum? Lassen Sie nur Friede entstehen, den Süden mit dem Norden verschmelzen und ein ganzes Geschlecht von Arbeitern aufwachsen – da der Boden, der so fruchtbare Boden vorhanden ist, wird wohl eines Tages die große, erwartete Ernte aufwachsen und in der brennenden Sonne reifen!«
Die Begeisterung trug ihn empor; ein wahres Jugendfeuer entflammte seine Augen. Pierre, schon gewonnen, lächelte und sagte, als er sprechen konnte: »Das
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