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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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grün aus im Gesicht.«
    Ich erhob mich, nickte dem schwarz gekleideten Mann dankbar zu, entschuldigte mich und torkelte nach draußen, mitten in eine Gruppe fotografierender Japaner. Das brachte mich auf eine Idee.
    Ich hatte ein Foto von Dale mit nach Bern genommen. Warum nicht zu den einfachsten Methoden der Fahndung greifen? Also verbrachte ich den Rest des Tages damit, in all die vielen kleinen Läden in den Lauben zu gehen, das Foto zu zeigen und immer wieder die gleiche Frage zu stellen. »Haben Sie diese Frau in letzter Zeit gesehen?« Das Ergebnis war genauso erschütternd wie typisch und verstärkte mein altes Misstrauen gegen die klassischen Techniken der Polizeiarbeit. Obwohl Dale wirklich ein ausdrucksvolles und ungewöhnliches Äußeres hat, wurde das Foto von den Befragten auf die unterschiedlichste Weise interpretiert. Einer wollte sie in der Drogenszene Berns gesehen haben, ein anderer meinte, in ihr die Freundin eines Kunden erkannt zu haben, ein Dritter äußerte mit Bestimmtheit, dass die abgebildete Person eine bekannte Schweizer Tennisspielerin sei. Die meisten aber schüttelten den Kopf und sagten, diese Frau sei ihnen nie begegnet. Mit anderen Worten, das Ergebnis meiner Recherche war nichts anderes als eine Art Falsifikation des Prinzips der Zeugenaussage.
    Ich machte einen letzten Versuch und ging zur Polizei. Ich wies mich als Kollege aus, in der Hoffnung, dadurch ernster genommen zu werden als eine Privatperson, die eine Vermisstenanzeige aufgibt. Doch das Gegenteil war der Fall. Der Beamte, dem ich mein Anliegen vortrug und das Foto von Dale vorlegte, lächelte mich mitleidig an. »Beruhigen Sie sich, Herr Doktor«, sagte er. »Wir sind der Sache längst nachgegangen. Die mit Ihnen befreundete Person befindet sich nicht mehr in der Stadt, vermutlich sogar nicht mehr in unserem Land. Eine Person, auf die die Beschreibung dieser Dame zutrifft, ist am Bahnschalter gesehen worden. Sie hat eine Fahrkarte nach Rom gekauft.«
    »Wann war das?«
    »Heute Morgen.«
    »Wieso haben Sie...«
    »Herr Doktor, der Ruf der Berner, langsam zu sein, ist eine böswillige Verdrehung der Tatsachen. Wir sind längst von Doktor Gala, den Sie ja persönlich kennen, gebeten worden, der Sache nachzugehen. Wir haben bei Ihrer Dienststelle in Groningen nachgefragt und per Fax ein Bild der Gesuchten bekommen. Natürlich haben wir zuerst am Bahnhof ermittelt. Ich weiß nicht, wie Sie in Ihrem Land zu ermitteln pflegen. Aber wir wissen, dass man ein Problem von außen her einkreisen muss und nicht von innen. Jeder Ausländer, der Bern verlassen möchte, muss zum Bahnhof, oder er muss sich einen Wagen mieten.«
    »Oder er schwimmt die Aare hinab.«
    Er überhörte meine dümmliche Bemerkung und fuhr mit penetranter Gelassenheit fort. »Die Leihwagenfirmen konnten uns bestätigen, diese Frau nie als Kundin gehabt zu haben. Ein Schalterbeamter am Fahrkartenschalter hat sie hingegen eindeutig identifiziert. Also, beruhigen Sie sich. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, höchstens die, dass Ihre Freundin einen neuen Mann kennen gelernt hat.« Er grinste jetzt so unverschämt, dass ich wortlos ging und die Tür hinter mir zuschlug.
    In der Wohnung in der Herrengasse angelangt, begann ich meine Sachen zu packen. Ich würde nach Rom fahren, möglichst heute noch. Ich schrieb einen Dankesbrief an Gudrun Walser und legte einen Geldschein für Strom und Wasser daneben. Dann bestellte ich ein Taxi zum Bahnhof. Kurz darauf klingelte es an der Wohnungstür. Ein Bote übergab mir ein Kuvert. Es enthielt ein paar Zeilen von Franz Gala. Er könne für mich eine Verabredung mit dem Italienischlehrer arrangieren. Ich solle morgen Mittag in sein Büro kommen.
    Ich packte den Koffer wieder aus. Natürlich war es richtig, Bern nicht überstürzt zu verlassen. Der Tipp mit Rom war vermutlich genauso dubios wie die Hinweise der Zeugen, die ich befragt hatte.
    Am folgenden Tag, es war der Tag vor Weihnachten, geschah etwas, das selbst die Berner in ihrer Allgemütlichkeit zu erschüttern vermochte. Ein Auto war im reißenden Wasser der Aare vorbeigetrieben, auf seinem Dach stand ein nackter Mann und schrie. Das Drama hatten wegen der frühen Uhrzeit nur zwei Passanten gesehen, die am Ufer ihren Hund ausführten. Aber ihre Aussagen deckten sich. Man hatte das Auto am Abend gefunden, flussabwärts am Ufer. Aber keine Leiche. Taucher hatten vergeblich nach ihr gesucht.
    Bern versank unterdessen erneut im Schnee. Es war, als sei ein riesiges

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