Rom kann sehr heiss sein
auf mich. Er stand auf und ging hinter seinem Schreibtisch auf und ab. »Wir sind erst ganz am Anfang. Sie wissen vielleicht, dass es bereits gelungen ist, eine Chimäre aus Schaf und Ziege zu erzeugen, eine Schiege, wie wir sagen. Wir werden eines Tages, vielleicht schon bald, auch aus Primaten Mischwesen bilden. Neue Menschen, ungeheuer robust und zugleich friedlich. Kein Revierverhalten mehr, kein Darwinscher Verdrängungswettbewerb.«
Er blickte mich fast mitleidig an. »Wenn Sie übrigens an der ethischen Seite des Themas interessiert sind, kann ich Sie mit Monsignore Tanner bekannt machen. Er ist Priester und zugleich Arzt. Ich kenne keinen besseren Fachmann für die ethischen Aspekte des Klonens. Er berät auch den Vatikan. Wollen Sie mit ihm sprechen?«
»Sehr gerne.«
Falsini telefonierte. Dann sagte er: »Tanner wird sich bei Ihnen melden, wenn er Zeit für Sie hat.«
Er wandte sich mir wieder zu. »Warum sind Sie eigentlich wirklich in meine Sprechstunde gekommen, Doktor Hieronymus? Sie wollten doch sicher nicht nur über Genetik diskutieren! Ging es nicht eigentlich um Ihren Vater?«
»Ja. Wie sind seine Aussichten?«
»Ehrlich gesagt, nicht sehr gut. Sie brauchen Ihrem Vater nur in die Augen zu schauen. Das Bindegewebe ist gelb. Seine Leber- und Blutwerte sind miserabel. Er lebt schon lange mit einer Fettleber, aus der sich inzwischen eine Zirrhose im fortgeschrittenen Stadium entwickelt hat. Für eine Transplantation ist er zu alt und zu schwach. Er würde die Immunsituation nicht überstehen. Ihr Vater weiß das alles. Ich habe ihm dringend empfohlen, den Alkoholkonsum einzuschränken. Aber Sie sehen ja. Er will nicht. Lieber auf hoher See untergehen als im Trockendock verrosten, sagt er. Und eigentlich kann ich ihm beipflichten, auch wenn dies meinem äskulapischen Eid widerspricht. Die Lage wäre völlig anders, wenn wir bereits empfängereigenes Lebergewebe in vitro herstellen könnten. Oder wenn wir komplette Organe mit der DNA des Empfängers in Wirtstieren züchten könnten. Am besten wäre es, man würde in künstlichen Uteri geklonte menschliche Embryos heranwachsen lassen, die genetisch so programmiert sind, dass sie keinen Kopf, kein Nervensystem und damit keine Seele, kein Ich entwickeln. Sie könnten als reine Organersatzteillager fungieren. Sie wären nur Herz, Kreislauf und Körper. Und da die Kirche inzwischen den Sitz der Seele nicht mehr im Herzen vermutet, wären sie auch keine Menschen. Die Sache ließe sich ethisch also rechtfertigen. Aber, wie schon gesagt, die Gesetzeslage lässt dies bislang leider nicht zu.« Damit schien Falsini die Audienz beenden zu wollen. Er kam auf mich zu und reichte mir die Hand. »Genießen Sie die letzten Wochen mit Ihrem alten Herren«, sagte er und geleitete mich aus seinem Büro hinaus.
10. Monsignore Tanner
In den Zeitungen standen inzwischen kleine Artikel über das Monstrum aus Borrominis Kolonnade. Darin wurde die Vermutung geäußert, dass jemand sein missgestaltetes Kind habe loswerden wollen. Ein Kind mit Elefantiasis. Vielleicht auch Zellulitis, Orangenhaut, wie sie gewöhnlich nur bei älteren Menschen vorkommt. Auch die seltene Hypertrichosis, die aus Menschen vollständig behaarte Wesen, Werwölfe, macht, wurde genannt. Ein seltsamer Fall von Frühvergreisung, der medizinische Rätsel aufgab. Das Monstrum war nach Meinung der Ärzte ungefähr drei Jahre alt. Es sei kurz nach seiner Entdeckung verstorben und inzwischen sogar mit kirchlichem Beistand begraben worden, woraus einige Zeitungen ein Plädoyer für den Fortschritt im Katholizismus machten, denn früher hätte man eine solche Abnormität als Teufelswerk verbrannt.
Nach dem Gespräch mit Falsini war ich mir sicher, dass der Arzt etwas über HUBRO wusste. Einar war derselben Meinung, und wir beschlossen, Falsini etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Einar ging in die Immobilienagentur von Falsinis Frau und stellte sich dort als vermögender Ausländer vor, der für sich und einen Bekannten – damit meinte er mich – etwas auf dem Lande suchte. Am liebsten in den Albaner Bergen.
Cecilia Falsini war eine reizende Person, sehr jung, sehr lebendig, sehr hübsch, sehr elegant. Einar war begeistert von ihr. Es war ihm, wie er sagte, ein Rätsel, wie der Arzt an sie herangekommen war. Vielleicht spielte sein Geld eine Rolle, oder aber seine offenbare Kultiviertheit, mutmaßte er.
»Römische Frauen sind es seit Jahrhunderten gewöhnt, älteren Männern als Accessoire zu
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