Rom kann sehr heiss sein
dienen«, sagte ich.
»Dann sollte ich mich hier in ein paar Jahren endgültig niederlassen«, entgegnete Einar.
Wir mieteten uns ein Allradfahrzeug und fuhren in die Berge. Falsinis Anwesen lag fernab der öffentlichen Straßen auf einem Hügel. Ein imposantes Gebäude im römischen Stil, architektonisch sehr schön in die Landschaft eingefügt, von einigen Pinien und Korkeichen dekorativ umstanden. Man konnte in diese Gegend nur auf schmalen, steinigen Landwirtschaftswegen gelangen. In der Nähe gab es einige Bauruinen, schöne Häuser ohne Fenster und Türen. Den Besitzern war vermutlich das Geld ausgegangen. In einem von ihnen versteckten wir uns und beobachteten Falsinis Villa mit unseren Feldstechern. Den ganzen Tag passierte nichts. Abgesehen von häufigen Gewehrschüssen. Es mussten Jäger in der Nähe sein. Dann sahen wir einen offenen Jeep, in dem vier junge Männer saßen. Sie hatten grüne Parkas an und waren mit Gewehren mit Zielfernrohren bewaffnet. Vermutlich waren es Jäger oder Wilderer, wobei man in Italien zwischen beidem kaum einen Unterschied machte. Sie fuhren zu Falsinis Villa und verschwanden dort in einem der Nebengebäude. Kurze Zeit später kam Falsinis Frau nach Hause, in Begleitung eines Mannes, der wesentlich besser zu ihr passte als ihr Mann. Er war höchstens dreißig, schwarzbärtig und wirkte wie ein intellektueller Schönling. Ich sah im Feldstecher, wie sie sich im Auto küssten.
»Wenn Falsini Dreck am Stecken hat«, sagte Einar, »dann wird er diesen Dreck hier in seiner privaten Festung verstecken. Davon gehe ich aus. Das sind auch keine Jäger gewesen, das waren Wachleute. Wir sollten die Villa näher in Augenschein nehmen. Aber mit dem Auto ist es zu auffällig. Wir brauchen etwas Kleineres.«
»Ich habe eine Idee. Ich kenne in Rom jemanden, der alte Vespas repariert. Ich kümmere mich um die Sache.«
Wir fuhren zurück. Einar setzte mich vor meiner Wohnung ab. Wenig später erhielt ich einen Anruf. Es war Monsignore Tanner, der mich mit höflichen Worten zum Essen einlud. So viel Entgegenkommen verblüffte mich. Ich fragte ihn, in welchen Restaurant wir uns treffen würden. »Bei mir zu Hause«, lautete die lakonische Antwort. »In einer Stunde.« Er nannte mir eine Adresse. Eine Gasse in der Altstadt, nicht allzu weit von mir entfernt.
Ich hatte eine Wohnung in einem Privathaus erwartet, doch ich landete, zehn Minuten verspätet, vor einem düsteren Palazzo. Monsignore Tanner empfing mich hinter dem hohen Eingangsportal. Ein feiner, schmaler Mann im Priesterornat. Er wirkte, als mache er Ernst mit dem asketischen Lebenskonzept des heiligen Hieronymus. Er begrüßte mich herzlich, drückte mir lange und fest die Hand, wie einem Heimkehrer. Dann bat er mich, ihm zu folgen. Er ging voran durch einen düsteren Flur voller staubiger Statuen, Philosophenköpfen aus Marmor. Dunkle Holzvertäfelung, schwarzer Marmor, mattes Licht machten die Atmosphäre erhaben gespenstisch. Unsere Schritte hallten auf dem Mosaikboden wider. Wir gingen eine Treppe hinab in einen großen Kellerraum, in dessen Mitte ein langer, schmaler Tisch stand. Tanner lud mich ein, Platz zu nehmen. Es gab nur zwei Stühle, jeweils einer an den Schmalseiten der Tafel. Eine Frau in weißer Schürze brachte das Essen. Lasagne. Mit Spinat gefüllt. Sie war ausgezeichnet. Natürlich gab es keine alkoholische Getränke, sondern nur Wasser. Ich hatte vorgesorgt, zwei Gläser Weißwein getrunken, ehe ich mich auf den Weg gemacht hatte.
Monsignore Tanner aß kaum. Vielmehr betrachtete er mich ausführlich. Eine große Ruhe, ja Gelassenheit ging von ihm aus. Seine offenbare Neugier störte mich nicht. Er beobachtete mich wie jemand, der den Versuch unternimmt, einen Menschen zu analysieren, jedoch nicht wie ein Problem, sondern wie eine verschlossene Tür, die man öffnen möchte.
Schließlich begann er zu reden, und zwar auf Deutsch mit einem starken Schweizer Akzent. »Verzeihen Sie, Doktor Hieronymus, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich stamme aus Bern und habe in dieser schönen Stadt gelernt, dass es nützlich ist, bedächtig vorzugehen. Da wir jedoch nicht unbegrenzt Zeit haben, möchte ich Sie etwas sehr Direktes fragen: ›Lieben Sie Ihren Vater?‹«
Ich trank einen großen Schluck Wasser. Die Frage verwirrte mich. Ich spürte, dass ich keine eindeutige Antwort geben konnte.
»Doch«, sagte ich. »Es ist wohl so. Ich liebe ihn, auch wenn es mir schwer fällt, die vielen unterschiedlichen
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