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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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teilte sich gurgelnd und rauschend an der Spitze der Insel. »Was meinst du, wie schnell läuft unser Schiff?«, sagte mein Vater. Er legte die Hand an die Stirn, und sein Blick schien sich in einem Horizont zu verlieren, der nur ihm sichtbar war. Für mich war es die nächste Brücke, der Ponte Garibaldi. Plötzlich hörte ich ihn etwas rufen. Ich verstand nicht, was er sagte. Vielleicht versuchte er Charon zu bestechen, noch einmal zurückzufahren ans Ufer des Lebens. Weil er noch etwas vergessen hatte in der Kammer der Erinnerung. Nichts besonders Wichtiges. Vielleicht nur das Leben.
    Ich brachte ihn auf sein Zimmer und half ihm ins Bett. Er lag da mit geschlossenen Augen und auf der Brust gefalteten Händen. Ich wollte schon gehen, als er zu reden begann. »Du ahnst ja gar nicht, mein Sohn, wie interessant mein Leben war, wie viele Katastrophen ich überstanden habe. Dabei habe ich nie einen Schutzengel gehabt. Schutzengel gibt es nicht, wie man daran sieht, dass die einen im Krieg überleben, die anderen nicht. Gibt es denn Schutzengel von unterschiedlicher Moral? Du siehst, mein Junge, die These vom Schutzengel ist nicht haltbar. Also war es Schicksal, aber was ist Schicksal? Was ist Zufall? Alles Worte, die mich unbefriedigt lassen. Kannst du sie mir nicht erklären?«
    Ich begann, herumzustammeln, sagte irgendetwas Verschwommenes von akausalen Systemen, von Musterbildung, von Wirbeln in einer glatten Wasserfläche. Mein Vater hörte nicht zu. Sein gleichmäßiger Atem verriet, dass er eingeschlafen war.
    Nach außen zeigte sich die Abnahme der Lebenskraft meines Vaters daran, dass er immer häufiger tagsüber einschlief. Er schlief auf der Toilette ein, auf einer Bank am Ufer der Tiberinsel, auf einem Barhocker der Cafeteria. Doch nachts hatte er Schwierigkeiten mit dem Schlafen, wie mir die Schwestern erzählten. Er war dann hellwach, wälzte sich hin und her, verlangte Schlaftabletten. Seine Lieblingsschwester empfahl ihm, den Signalen seines Körpers einfach zu gehorchen. Wenn er müde sei, solle er eben ins Bett gehen, schlafen, ganz ohne auf die Tageszeit zu achten. Mein Vater war wenig begeistert von dieser Empfehlung. »Ich bin nicht müde«, sagte er. »Ganz im Gegenteil. Wenn ich einschlafe, dann weil ich zu wenig müde bin. Ich bin hellwach, irgendeine finstere Sonne blendet mich, deshalb schließe ich die Augen.«
    Eines Tages bat er mich, die Jalousien seines Zimmers herunterzulassen, obwohl an diesem Tag die Sonne von einer bleigrauen Wolkenschicht verdeckt war. »Komm näher, mein Junge«, flüsterte er. »Komm ganz nahe, sodass ich dir direkt ins Ohr sprechen kann.« Ich rückte meinen Stuhl an sein Bett und näherte mein Gesicht seinem Mund. Er küsste mich auf die Wange. Dann flüsterte er: »Du hast dich bestimmt drei Tage nicht rasiert, das tun Männer in einer Lebenskrise gerne. Sie demonstrieren damit, dass sie Gefangene sind oder Männer auf der Flucht, die keine Zeit haben, sich zu rasieren. Also, hör zu.« Er flüsterte jetzt so leise, dass ich nur Bruchstücke verstand. Ein Wort wiederholte er mehrfach. Es bestand aus drei Teilen und war englisch. Ich verstand es erst beim dritten Mal: »Large Fetus Syndrom«. »Sie haben verdammte Probleme damit, die Embryonen wachsen zu langsam. Wenn sie geburtsreif sind, passen sie durch kein Becken mehr. Es geht nur mit Kaiserschnitt, aber auch der ist problematisch wegen der Größe der Wunde. Es hat schon viele Tote gegeben, Mütter wie Kinder. Das Ungeheuer aus der Kolonnade war ein solches degeneriertes Embryo. Die Mutter hat es selbst dorthin gebracht, um die Öffentlichkeit auf das Unheil aufmerksam zu machen. Falsini ahnt nicht, dass ich das herausgefunden habe. Er ist gefährlich. Wenn ich sterbe, bestehe auf einer Obduktion. Er hat mir etwas verschrieben, das meine Leber kaputtgemacht hat. Es ist nicht der Alkohol, es ist irgendein Gift.«
    »Wie hast du das alles herausgefunden, Vater?«
    »Über Tanner«, flüsterte er. »Hast du ihn schon kennen gelernt? Tanner arbeitet mit dem Doktor zusammen. Er ist harmlos, ein Idealist. Er will der Menschheit helfen, und für dieses Ideal lässt er sich mit dem Teufel ein. So sind alle Idealisten. Sie sind dadurch besonders gefährlich. Tanner hat mich für seinen Zirkel angeworben. Ich habe lange Zeit an ihren Treffen teilgenommen, bis ich so krank wurde, dass ich nicht mehr hingehen konnte. Jetzt lass mich bitte allein, mein Sohn. Ich glaube, ich werde bald schlafen können.«
    Er griff nach

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