Rom kann sehr heiss sein
verabschiedet, das heißt, er soll in mein offenes Grab keine Erde werfen, sondern etwas Flüssiges. Er wird schon wissen, was ich meine.«
Mein Vater wurde auf dem protestantischen Friedhof bei der Aurelianischen Mauer beerdigt, unweit der Gräber von Keats und Shelley. Offensichtlich war er nicht wie meine Mutter der Religion seiner Kindheit untreu geworden. Ich trug seine Uniform. Sie passte erschreckend gut. Monsignore Tanner hielt eine kurze Predigt. Er nannte meinen Vater einen außerordentlichen Mann. Die Lücke, die er hinterlasse, würde niemand schließen können. Hervorragendes Merkmal seiner Persönlichkeit sei die geistige Neugier gewesen, die ihn bis zu seinem Tod nicht verlassen habe.
Nachdem der Sarg in die Grube gesenkt worden war, trat ich an ihren Rand. Ich hatte eine billige Flasche Chianti aus dem Kaufhaus dabei, entkorkte sie und goss einen Teil des Inhalts auf die hölzerne Kiste. Niemand schien sich daran zu stören. Vielleicht hielt man es für ein holländisches Ritual.
Nach der Zeremonie schüttelten Falsini und Tanner mir lange die Hand. Ihre Anteilnahme schien mir aufrichtig zu sein. Als ich mich schon zum Gehen wandte, eilte mir eine schwarz gekleidete Dame nach. Sie war verschleiert und hatte der Beerdigung aus einer gewissen Entfernung beigewohnt. Ich erkannte sie erst, als sie kurz den schwarzen Schleier lüftete. Es war Nina. Sie drückte mir einen Zettel in die Hand. Eine Verabredung auf der Tiberinsel für den kommenden Tag.
Es war einer dieser heißen Tage, an denen der Anblick des rauschenden Wassers einem die Illusion von Kühle verschaffte. Nina zog sich aus und legte sich in einem knappen schwarzen Bikini auf ein Handtuch. Ich bedeckte mein Gesicht mit einem Strohhut, schloss die Augen und lauschte dem Wasser. Mein Vater war gestorben. Es war anders als beim Tod meiner Mutter. Die Endgültigkeit war größer. Der Tod meiner Mutter hatte mich befreit, mich in Bewegung gesetzt. Der Tod meines Vaters hingegen lähmte mich. Ich war nun eine echte Waise. Schlimmer, ich fühlte mich ausgesetzt. Neben mir hörte ich Nina atmen. Wir berührten uns leicht. Sie war die ganze Zeit stumm geblieben, aber ich spürte, dass sie mir etwas Wichtiges sagen wollte und dass sie auf den richtigen Zeitpunkt wartete. Plötzlich setzte sie sich auf. Sie sah mich an wie bisher kein einziges Mal. Voller Liebe war ihr Blick. Jedenfalls bildete ich mir dies ein. »Können wir nicht weggehen aus diesem Land?«, sagte sie.
»Nina, es ist doch wunderschön hier. Die Leute sind viel lebendiger. Für uns aus dem kühlen Norden ist es das Paradies.«
Sie lachte kurz auf. »Ach, du dummer Piet. Das ist alles eine Frage der Perspektive. Denk an Borrominis Kolonnade. Wenn man die Dinge geschickt anordnet, scheint alles größer und schöner, als es ist. Komm, wir gehen nach Hause. Zu dir. Wenn dir so sehr nach Illusion zu Mute ist, will ich dich darin bestärken.«
Ich trottete brav hinter ihr her. In der Wohnung warf ich mich aufs Bett und begann hemmungslos zu weinen. Ein Heulkrampf wie Wehen, als ob ich die Erinnerung an meinen Vater aus den Tränensäcken pressen wollte. Nina streichelte mich so lange, bis ich einschlief.
13. Das Fest
Die Leere, die ich nach dem Tod meines Vaters empfand, groß zu nennen, wäre falsch. Sie war eher klein, dafür aber umso tiefer. Ich hatte das Gefühl, in ihr zu versinken wie in Flugsand. Mit jeder Bewegung wurde es schlimmer, ein Gefühl, bald lebendig begraben zu sein. Ich traute mich kaum, meinen Stuhl zu verlassen, auf dem ich saß und die Wand anstarrte. Einar ließ sich nicht blicken. Im Nachhinein nehme ich an, dass ihn seine Lebensklugheit dazu veranlasste, nicht durch freundschaftlichen Beistand den Prozess der Trauerarbeit zu behindern. Falsini hatte mir noch auf dem Friedhof seine Hilfe angeboten. »Schließlich kenne ich ihren Vater vielleicht am besten«, hatte er gesagt. »Wenn Sie über ihn reden wollen, stehe ich zu Ihrer Verfügung.«
Ein paar Tage später erhielt ich eine Einladung zu einem Fest in der Villa der Falsinis in den Albaner Bergen. Eine Karte aus Büttenpapier, die in meinem Postkasten steckte. Das Erstaunliche an ihr war das Postskriptum. »Meine Frau wird Sie mit hinausnehmen. Kommen Sie gegen halb acht Uhr in ihr Büro. Sie wissen ja, wo es liegt. Und bringen Sie Ihren finnischen Freund mit«, hieß es lakonisch unterhalb der Unterschrift Falsinis.
Ich rief Einar an und erzählte ihm die Neuigkeit. »Er kennt also unsere
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