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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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freien Hand umfasst Gideon meine Taille und presst mir den Brustkorb ab.
    »Halt still«, raunt er mir noch einmal zu.
    Mein Körper gehorcht. Mein Verstand hingegen schreit tausendfach lautlosen Protest. Ich werde sterben. Jetzt. Ich denke an Shane, an meine Eltern und an Lori. Je eine Träne kullert mir die Wange hinab.
    »Nein, nicht!«, brüllt Jim. Ich höre, was hinter mir geschieht, dass er sich freizukämpfen versucht.
    »Noch eine Bewegung«, knurrt Lawrence Jim an, »und dich durchbohrt ein Pflock!«
    Gideons Zunge leckt mir über den Hals, eine Schlange, die ihre Beute riecht. Auf halbem Weg hält die Zunge inne. Die Hitze seines Atems sehnt sich nach der Hitze meines Blutes, das Fleisch dazwischen Opfer der Feuersbrunst. An der Haut spüre ich, wie Gideon den Mund weit öffnet.
    »Ähm, Meister?«, sagt eine dünne, aber dennoch klare Stimme hinter mir.
    Gideon packt meinen Nacken fester. »Ja, Ned?«, zischt er.
    »Fühlt Euch bitte ganz frei, mich zu korrigieren, aber vielleicht hilft es, einen genaueren Blick auf das Gesamtbild zu werfen – wie heißt es: ›Nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren‹.«
    Gideon steht reglos wie ein Fels. »Erkläre dich! Präzise und kurz.«
    »Bitte ruft Euch noch einmal ins Gedächtnis, welches Ziel für Euch am Wichtigsten ist und was Ihr vorhabt zu tun, um dorthin zu gelangen. Wird da das Mädchen zu töten nicht die Wahl der Mittel verkomplizieren und schlussendlich sogar den Endzweck in Frage stellen?«
    Gideons Finger zucken. Sie schließen sich enger um meinen Hals, um meinen Oberkörper. Schmerzerfüllt verziehe ich das Gesicht, als mein Fleisch zwischen meinen und seinen Knochen eingequetscht wird. Meine Rippen stehen kurz davor zu brechen.
    Gideon knurrt wie ein wildes Tier und lässt mich einfach fallen. Ich schaffe es kaum, die Hände schützend vors Gesicht zu halten, ehe ich auf dem Boden aufschlage. Rückwärts auf allen vieren krieche ich fort von meinem Peiniger, hastig, will nur weg von ihm – obwohl ich nirgendwohin kann.
    Jemand greift nach mir. Ich schlage um mich, aber Jim bekommt mich zu fassen. Er hilft mir auf die Füße, stellt sich zwischen mich und die anderen Vampire.
    Gideon steuert auf Ned zu. Anstatt eingeschüchtert vor ihm zurückzuweichen, strahlt Ned den Vampir an, als käme der Papst auf Stippvisite bei ihm vorbei.
    »Bring mir Ersatz«, grollt Gideon. »Sofort!«
    Ned fischt das Kreuz unter seinem Hemd hervor. Gideon zögert. Ned zerrt an der Kette, will sich das Kreuz vom Hals reißen, tut es. Gideon nickt, packt Ned bei den Schultern und zieht ihn zur Treppe.
    Ehe er die erste Stufe hinuntergeht, dreht sich der alte Vampir zu mir um. »Du glaubst, du seist auf der Suche nach Antworten.« Der Blick, mit dem er mich bedenkt, lässt mir das Blut gefrieren. »Glaube mir besser: Du willst diese Antworten nicht.«
    Während Ned sich mit glückseligem Lächeln auf dem Gesicht mitschleppen lässt, wirft er sein Kreuz in meine Richtung. Es ist ein Reflex, aber ich strecke mich und fange es auf, ehe es Jim treffen kann.
    Ein paar Sekunden später folgen die anderen Gideon und Ned. Nur Lawrence bleibt zurück. Er sitzt auf dem Sofa und schlägt eine alte Ausgabe des Life Magazine auf.
    »Warum hat Gideon mich gehen lasen?«, frage ich ihn. Mein Mund ist trockener denn je.
    »Du hast gehört, was er gesagt hat.« Ohne mich anzusehen blättert Lawrence die Seite um. »Manche Wahrheiten kennt man besser nicht.«
    Das glaube ich gern, und ich bin auch nicht gewillt, diesem geschenkten Leben ins Maul zu schauen. Ich öffne die Hand. Da ist es, Neds Kreuz an der gerissenen Kette. Soll ich es behalten? Es wäre wohl geradezu undankbar, es nicht zu tun. Der Mann hat mir schließlich das Leben gerettet.
    Ich rufe mir den Moment ins Gedächtnis zurück, in dem ich fast gestorben wäre, und alles, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf ging. Es waren die Menschen, die mir viel bedeuten, die Dinge, die ich nicht die Zeit hatte zu tun.
    Jim seufzt erleichtert und bewegt sich auf den Sessel zu, der ihm am nächsten ist. Ich bleibe hinter ihm und halte das kleine Kreuz hoch wie ein Schild. Als Jim sich umdreht, um sich in den Sessel zu setzen, zuckt er beim Anblick des goldenen Kruzifixes zusammen, entspannt sich aber sogleich wieder.
    »Mann, einen Augenblick hast du mir einen richtigen Schrecken eingejagt.« Mit einem nervösen Lachen nimmt er mein Handgelenk und zieht meine Hand zu der Vertiefung, wo rechtes und linkes Schlüsselbein aufs

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