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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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die Schüssel fort. »Zuerst solltest du wissen, dass das ganze Haus verwanzt ist.«
    Ich beiße in mein Sandwich und tue so, als ob überwacht zu werden mich nicht störe.
    »Macht nichts«, fährt mein Vater fort. »Die Liga weiß sowieso schon alles, was ich dir jetzt erzähle.« Er stellt den Fernseher stumm und lehnt sich mit einem Seufzer ins Sofa zurück. »Ich konnte deine Mutter nicht ins Zeugenschutzprogramm bekommen, weil sie nicht mit mir verheiratet ist.«
    »Mhmpf?« Das Sandwich ist ein trockener Klumpen mitten in meinem Rachen. »Ihr habt euch scheiden lassen?«
    Er legt eine Hand auf die Brust, als ob ihn meine Frage mehr schockiert hätte als mich seine Eröffnung. »Scheiden lassen? Nein. Herr im Himmel, nein! Wir waren nie verheiratet.«
    »Was?!« Ich schüttle das Sandwich drohend in seine Richtung. »Willst du mich jetzt verarschen?«, frage ich mit vollem Mund.
    Seine Augen werden groß. »Achte auf deine Sprache, Ciara.«
    Ich versuche zu schlucken. »Bin ich denn deine richtige Tochter? Bin ich Moms Tochter?«
    »Selbstverständlich bist du das!« Er hebt beide Zeigefinger. »Lass es mich dir erklären. Als ich achtzehn war, habe ich ein Mädchen aus einem anderen Traveller-Clan geheiratet. Das war eine arrangierte Ehe. So wird das oft unter meinen Leuten gehandhabt. Das Mädchen war erst fünfzehn.«
    »Bah.«
    Er ignoriert meinen Einwand. »Deine Mutter und ich lernten uns kennen, da waren wir beide zweiundzwanzig. Ihre Großmutter war eine meiner, äh, Kundinnen.«
    »Du hast sie über den Tisch gezogen, willst du damit wohl sagen.«
    »Mit der üblichsten aller Maschen.« Er vollführt ein paar Gesten, wie Hypnotiseure sie gern benutzen. »Such dir einen älteren Mitbürger, überzeuge ihn davon, dass das Dach seines Hauses dringend reparaturbedürftig ist, biete an, die Arbeit sofort zu übernehmen und verschwinde mit seiner gesamten Barschaft.« Er grinst. »Deine Mutter hat mich auf dem Weg aus der Stadt gestellt und … nun, tja …«
    »Hat dir einen Tritt in den Hintern verpasst.«
    »So in etwa. Eine Woche später habe ich alles hinter mir gelassen, um mit ihr zusammen zu sein – meine Sippe, meine Religion, mein Heim.« Er lächelt schelmisch und schnippt mit den Fingern. »Nachdem ich das Dach ihrer Großmutter repariert hatte.«
    »Warum hast du dich von deiner ersten Frau dann nicht scheiden lassen?«
    »Sie hätte abgelehnt, sich scheiden zu lassen. Die Traveller sind streng katholisch.« Er seufzt tief. »So hat man uns erzogen. Scheidung ist da ein schreckliche Sünde.«
    Mir brennt förmlich eine Sicherung im Kopf durch. »Schlimmer als Ehebruch?«
    »Aber ja. Ich wäre exkommuniziert worden.«
    »Gerade eben hast du gesagt, du wärst für Mom zu einem anderen Glauben übergetreten. Was hat dich das dann noch interessiert?«
    »Wenn man als Katholik geboren wird, besonders bei meinen Leuten, dann bist du Teil des Ganzen. Von diesem Ganzen mit Gewalt getrennt zu werden ist so, als verlöre man einen Teil seiner selbst.«
    »Ich begreife immer noch nicht, warum das wichtiger ist, als die Frau zu heiraten, die man liebt.«
    »Ich erwarte auch nicht, dass du es verstehst. Wir haben dich im Glauben der Pfingstbewegung erzogen, im Glauben deiner Mutter. Für dich wie für die meisten Menschen, die zu unseren Erweckungsgottesdiensten kamen, ist in Sünde zu leben schlimmer als eine Scheidung. Und das genau ist der Grund, warum wir es niemandem erzählt haben.«
    Ich winke ab. »Glaub ja nicht zu wissen, an was ich glaube und an was nicht. Was mich angeht, ist einzig und allein die ganze Lügerei schlimm daran.« Zumindest, bis mir der nächste Gedanke wie ein Blitz ins Hirn fährt. »Hast du Kinder mit deiner Ehefrau?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    Mit zusammengekniffenen Augen schaue ich meinen Vater an. Ich wünschte, ich könnte zurückspulen und seine Antwort auf Anzeichen einer Lüge abklopfen. »Vier Jahre lang wart ihr zusammen, und sie ist nie schwanger geworden? Ich gehe davon aus, dass Verhütung nicht stattgefunden hat – ist ja auch eine Sünde.«
    Er zupft sich am Ohr und wird rot. »Das sind mehr Einzelheiten, als ich bereit bin, mit meiner Tochter zu besprechen.«
    »Warum habt ihr mir die Wahrheit nicht schon gesagt, als ich noch ein Kind war?« Ich habe die Frage kaum gestellt, da kenne ich schon die Antwort. Meine Eltern befürchteten, ich könnte mich verplappern. Dann wären sie als scheinheilige Heuchler entlarvt worden.
    »Bitte verzeih, dass wir es dir nie

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