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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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gesagt haben. Es kam während des Prozesses heraus. Aber du durftest ja nur für deine Aussagen in den Gerichtssaal.« Er macht eine Pause, um die Dramatik zu steigern. »Schließlich warst du die Hauptbelastungszeugin gegen uns.«
    Mit einem Mal ist das Sandwich wieder von Interesse für mich. »Sie haben mich dazu gebracht auszusagen. Im Zeugenstand durfte ich nicht lügen.«
    Ich spüre den Blick meines Vaters auf mir, während ich ganz nebenbei die Sesamkörner von der Kruste des Mehrkornbrots picke. Aus irgendeinem Grund habe ich die noch nie gemocht.
    Mein Vater schweigt. Das Schweigen ist ohne jeden Zweifel anklagend.
    Ich war nicht nur die Hauptbelastungszeugin; ich hatte meine Eltern verpfiffen. Von mir kam der anonyme Hinweis, der die polizeiliche Untersuchung erst ins Rollen brachte.
    Wenn ich die Fernbedienung in die Finger bekommen könnte, würde ich den Ton des Fernsehers wieder anschalten. Dann wäre dieses bedrückende Schweigen gebrochen. Auf dem Schirm ist in der Tonight Show eine Band zu sehen, die ich nicht kenne. Die Sängerin trägt eines dieser traditionellen hawaiianischen Kleider, einen roten Mu’umu’u.
    Ich spüre immer noch, dass mein Vater mich beobachtet. Er wartet auf ein Geständnis. Jetzt kapiere ich endlich, warum Shanes Schweigen gestern Abend so an meinen Nerven gezerrt hat. Ich bin es leid, vor Gericht zu stehen.
    Ich drehe mich um, um meinem Vater direkt in die Augen zu sehen. »Wirst du die nächsten acht Jahre so weitermachen?«
    »Womit?«
    »Damit, nicht mit mir zu reden.«
    Er stemmt sich aus den Polstern hoch. »Ich habe verdeckt ermittelt. Ich hatte mit niemandem draußen Kontakt.«
    »Zwei Jahre lang, ja. Die sechs Jahre davor, während du gesessen hast, ist aber auch kein Anruf gekommen, kein einziger – und auch kein Brief!«
    »Du hast auch nicht angerufen. Nicht ein Mal. Geschrieben hast du nicht. Und besucht hat mich meine Tochter, mein eigenes Kind, auch nicht.«
    Mein Magen verkrampft sich unter dem anklagenden Ton, den mein Vater anschlägt. »Von hier nach Illinois ist es ein ziemlich weiter Weg.«
    »Deine Pflegeeltern wohnen eine Stunde Fahrt vom Gefängnis entfernt. Und ich weiß, dass sie dir angeboten haben, dich zu fahren.« Er hebt die Stimme, seine Worte zerschneiden die Luft zwischen uns. »Während der ganzen achtzehn Monate bevor du aufs College gegangen bist, hast du mich nicht ein Mal besucht. Nicht ein Mal.«
    »Weil du nie angerufen hast.«
    »Ach, und warum war es meine Sache, dich anzurufen? Du warst doch diejenige, die mich hat einbuchten lassen.«
    »Und deshalb war es wichtig für mich, dass du mich anrufst. Um mir zu sagen, dass du mir vergibst.« Meine Stimme bricht beim letzten Wort.
    Mein Vater wendet das Gesicht ab. Er kann die Worte nicht sagen.
    Meiner Kehle entringt sich ein Flüstern. »Mom hat mir vergeben.«
    Seine Kiefermuskeln spannen sich an. »Ja, sie war immer gut darin. Anders als wir beide, du und ich.«
    Ich betone jedes Wort einzeln. »Ich bin nicht wie du.«
    Er hebt den Kopf, um meinem Blick zu begegnen. »Du bist ganz genau wie ich. Wir tun anderen weh, selbst wenn wir es nicht wollen. Aber wenn wir es mit Absicht tun …« Sein Lächeln ist sowohl stolz als auch diabolisch. »Die Liga hat mir von deinem letzten Ding berichtet, das du gedreht hast. Ein wahres Meisterstück!«
    Meine Hände um das Sandwich verkrampfen sich. Eiersalat quillt zwischen meinen Fingern hervor. »Ich brauchte das Geld fürs College.«
    »Das brauchen die Kinder dieses Typen auch.«
    »Hör auf damit!«
    »Ciara, wir beide tun, was wir tun müssen.« Mein Vater kommt zu mir herüber und setzt sich auf die Lehne des Sessels. »Der Mann war gierig wie jeder, der auf eine derart simple Masche hereinfällt. Er wollte schnell reich werden. Er hat seine Frau betrogen, Herr im Himmel! Er hat es verdient, verstehst du? Alles.« Dad seufzt, senkt den Kopf und legt die Hände auf die Knie. Seine ganze Körperhaltung spricht von Niederlage. »Ich wünschte nur, du hättest für die Sache nicht deine Tugend aufs Spiel gesetzt. Deine Mutter und ich haben bei deiner Erziehung viel Wert auf Anstand gelegt.«
    Ich lehne mich über die andere Sessellehne, um mehr Distanz zwischen uns zu bringen, und schnaube laut. »Was hat Sex mit Anstand zu tun?«
    Mein Vater antwortet nicht. Er hebt nur den Kopf, mit einem Gesichtsausdruck, als ob ich Suaheli spräche.
    Ich fordere ihn mit Blicken heraus. »Ich habe meine Kindheit damit verbracht, euch dabei zuzusehen,

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