Roman
anders reagieren. Aber irgendwie glauben immer alle, Betrüger seien hammergeil.
Wahrscheinlich weil es stimmt.
10 Uhr 15
»Dein Vater hat sich das ausgedacht, nicht wahr?«
»Ja. Aber ich muss zugeben, dass es eine Verbesserung des ursprünglichen Plans ist.«
Shane steht hinter der Lehne von Davids leerem Schreibtischsessel. Von dort aus trifft mich ein vor Zorn lodernder Blick. Ich habe Shane hierhergelotst, weil ich ungestört mit ihm über den Kuss reden wollte. Weder Franklins noch Travis’ Scherze wären dem Gespräch förderlich gewesen. »Wo ist dein Vater jetzt?«
»Draußen. Er bringt Lori die Feinheiten der Rolle Ciara Griffin bei. Ich hab’s nicht länger mitansehen können. Außerdem wollte ich, dass du das Ganze von mir erfährst.«
Shanes Miene ist verschlossen; seine Haltung bedeutet Abwehr, die Arme sind vor der Brust verschränkt. Als er mich jetzt ansieht, hat sein Blick etwas Eisiges. »Warum? Was ist denn großartig passiert?«
»Nichts. Nichts Großartiges. Ich meine, nichts, was wirklich von Bedeutung wäre.« Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar. »Wenn ich nervös wirke, dann nicht, weil ich gefühlsmäßig involviert gewesen wäre. Ich wusste nur einfach nicht, wie du reagieren würdest.«
»Du denkst also, dass ich eifersüchtig bin?«
»Ein bisschen, ja.«
»Meiner selbst nicht sicher?«
»Nein«, beeile ich mich, richtigzustellen, »nur sehr sensibel.«
Shane kommt einen Schritt näher. Damit drängt er mich gegen die Schreibtischkante. »Wolltest du mich wütend machen?«
»Nein.«
Seine Lippen umspielt ein durchtriebenes Lächeln. »Gut. Weil es dann verdammt mehr Spaß machen wird, gleichzuziehen.«
11 Uhr 15
Ich stiere auf Travis’ PC -Schirm. Zu sehen gibt es Meine Fotogalerie , vom echten und vorgeblichen Ich.
»Gebe ich mich wirklich so lasziv?«, frage ich Lori.
»Ja«, antwortet Franklin.
»Aber jetzt wisst ihr ja alle, woher ich’s habe.« Ich blicke hinüber zu Davids geschlossener Bürotür. Dad ist dort drinnen und schmeichelt sich bei meinem Boss ein. Ein paar Stunden haben gereicht, und sie sind beste Freunde. David sehnt sich wahrscheinlich nach einem Vaterersatz, da sein Vater ja früh gestorben ist. Mein Vater wiederum ist gern jedermanns Freund. Immerhin wäre es ja möglich, dass er diese Freundschaften eines Tages zu seinem Vorteil nutzen könnte.
Wenigstens sind die beiden mir so aus den Augen.
Ich klicke das beste Foto von Lori/mir an und ziehe es auf den vorbestimmten Platz in Travis’ Bericht. »Wir drucken das aus und binden es. Und dann lassen wir es per Boten um genau fünf Uhr zu Jolenes Bossen bringen.«
»Und was ist mit Jolene?« Lori blättert durch den Bericht. »Wird sie uns bei dem Meeting morgen nicht erkennen?«
Ich blicke auf die Uhr. »Travis hat vereinbart, Jolene seinen Bericht heute Nachmittag zu übergeben. Die Absprache stammt natürlich noch aus einer Zeit, in der er sich im Tageslicht aufhalten konnte. Wahrscheinlich ist er gerade dabei, Jolene anzurufen, um ihr Folgendes zu stecken: A – habe es unerwartete Entwicklungen gegeben, die er in seinen Bericht aufnehmen wolle, und B – sei sein Auto kaputt. Daher bleibt Jolene nur, um fünf zu seinem Büro zu kommen, wo Leonard, sein Griesgram von Partner – hinreißend verkörpert von Franklin –, sie mit dem Originalbericht erwarten wird.«
Franklin nickt. »Aus mir schleierhaften Gründen ist Ciara der Meinung, Jolenes und meine Persönlichkeit würden ganz wunderbar miteinander harmonieren.«
»Jedenfalls gut genug, um einen Drink zu nehmen, während ihr beide auf Travis wartet. Der, so will es die Geschichte, ist nämlich noch zu Fuß auf dem Rückweg vom Copyshop, und zwar mit den Zusatzinformationen, die von ihr gewünscht wurden. Jolene bekommt also den alten, ursprünglichen Bericht gezeigt – den, der die echte Elizabeth und die echte Ciara zeigt. Der Bericht steckt in diesem Umschlag.«
Franklin hebt Beweisstück A hoch.
»Und was sind das für Zusatzinformationen, die sie Travis hat beschaffen lassen?«, fragt Lori.
»Travis hat ihr angeboten, ein paar echt schmutzige Details aus dem Leben meiner Wenigkeit auszugraben.« Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück. »Weißt du, das wichtige beim Betrügen ist zu wissen, welche Schwächen das Opfer, also die Zielperson, hat. Jolenes Schwachstelle bin ich, oder genauer gesagt: ihre abgrundtiefe Abneigung gegen mich.«
»Du hast ihren Junggesellinnen-Abschied verdorben«, wirft Lori ein. »Aber wie
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