Roman
im Umschlag nur noch einen Bericht mit leeren Seiten.«
Lori nickt. »Und so verpasst sie das Meeting.«
»Sie verpasst das Meeting und wird wahrscheinlich noch gefeuert. Travis hat noch am Morgen seine Detektei aufgelöst und ist sozusagen auf und davon. Also kann Jolene niemanden für den Schaden verantwortlich machen. Weil Travis aber die Nacktfotos von ihr hat, wird sie die ganze Sache nicht weiter verfolgen lassen, um ihre frisch geschlossene Ehe zu retten.«
»Wow!« Lori legt den halb gegessenen Donut in die Schachtel zurück. »Du willst sie so richtig fertig machen, was?«
»Oh ja.« Es bringt nichts, Reue zu zeigen, wo keine ist. »Aber das ist reine Selbstverteidigung. Sie kann es ja schließlich kaum erwarten, uns alle nach der Übernahme durch Skywave zu feuern.«
Lori sieht aus, als ob sie sich ganz und gar nicht wohl fühle. »Und darum ist es okay?«
»Ja.« Ich durchquere das Büro, ziehe einen Stuhl heran und setze mich neben sie. »Ich habe mein ganzes Leben lang ziemlich viel Scheiße gebaut. Diesen Sommer aber, und das ist das erste Mal in meinem Leben, bau ich Scheiße zu einem guten Zweck. Die Vampire hier wollen nichts, als eine dahingestellte Tatsache hinterfragen. Sie wollen es nicht hinnehmen, dass ihre Zukunft ein schleichender Verfall sein soll. Sie wollen im Jetzt zu leben versuchen. Ich will nicht, dass irgendjemand ihnen diese Chance nimmt. Und niemand vermasselt mir die Gelegenheit zur ersten guten Tat in meinem Leben!« Ich nehme mir einen unberührten Donut aus der Schachtel. »Und schon gar nicht so eine pferdegesichtige Bitch wie Jolene.«
Mein Telefon klingelt. Travis ist dran, der mir verkündet, er habe mit meiner Nemesis wegen des verspäteten Berichts telefoniert. Wie vorhergesehen, war Jolene erst angepisst, dann bester Dinge, als sie hörte, es ginge um Informationen, mit denen sie mir eins auswischen könnte.
Ich lege auf und wende mich an Lori. »Ich kann verstehen, wenn du bei der Sache nicht mitmachen willst. Aber ich brauche deine Entscheidung jetzt. Also: Bist du dabei?«
Lori starrt auf das Bild von ihr/mir in Travis’ Bericht. Sie schluckt schwer. »Ich bin dabei.« Sie legt den Bericht beiseite. »Also: Wer spielt den Typen mit dem süßen Hintern auf den Nacktfotos mit Jolene?«
Franklin kichert. »Sagen wir’s mal so: Shane wird heute Nacht seine Foto-Revanche bekommen.«
12 Uhr
David, Lori und ich belegen einen Tisch im hiesigen Diner und gehen das Skript durch. Dad ist, halb willkommen, mit von der Partie, um Hilfestellung zu geben. David und ich spielen die zentralen Parts. Lori unterstützt uns; sie hat den klassischen Part des Lockvogels. Sie soll die ganze Inszenierung realitätsnäher wirken lassen – oder ›wahrhaftiger‹, wie Lori selbst es nennt. Sie scheint die Aufgabe zu mögen, die Zielpersonen einzuwickeln. Das sind in diesem Fall Alfred Bombeck und Sherilyn Murphy. Die beiden gehören zum Management von Skywave und sind zuständig für die Übernahme von WVMP . Travis’ Nachforschungen geben mir ein paar Einzelheiten in die Hand, die ich gegen die beiden nutzen kann: Murphy hat ein Wolfsrudel im Yellowstone Nationalpark ›adoptiert‹, und Bombeck glaubt, die New York Yankees seien das fleischgewordene Böse.
Elizabeths Notizen und Mails zeigen Murphy und Bombeck als Team, das mit ihrem Gegenüber guter Cop/böser Cop spielt. Einer der beiden (Bombeck) betreibt Panikmache, um die junge Eigentümerin des Senders innerlich auf Distanz zu ihrer Firma zu bringen. Gleichzeitig spielt Murphy mit Elizabeths Bedürfnis nach ökonomischer Sicherheit und setzt die Argumente ein, dass der Sender in den richtigen Händen wachsen und gedeihen würde.
Eigentlich sind die beiden Trickbetrüger, selbst wenn ihnen das nicht bewusst ist. Ich hingegen bin überzeugt davon, dass es ihnen bewusst ist.
13 Uhr 30
Im Straßenverkehrsamt warte ich in der Schlange vor dem Schalter. Ich bin bereit für meinen ersten Identitätsmissbrauch. In der Werbung für Kreditkarten, so geht es mir in der Warteschlange durch den Kopf, werden Straftäter, die einen solchen Identitätsmissbrauch begehen, als sadistische Hedonisten dargestellt: Sie freuen sich diebisch über die Beute, die sie mit dem guten Namen ihrer Opfer machen. Ich sage mir selbst, dass ich nicht so bin. Ich sage mir, dieser Diebstahl diene einem guten Zweck. Ich sage mir, dass es keinen anderen Weg gibt.
Ich überzeuge mich selbst. Es fällt mir nicht schwer.
»Nächster!«
Ich trete an den
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