Roman
sortiert er die Sender im Geiste alphabetisch.
»Hör dir ihre Webcasts an!«, schlägt David vor. »Ciara kann dir helfen, sie im Internet zu finden.«
»Das kann ich selbst machen.« Shane klingt nicht sonderlich überzeugend. »Aber wozu?«
Ich deute mit der Hand in Richtung Liste. »Auf diese Weise wirst du vorab schon hören, was aus diesem Sender werden könnte. Lass uns doch mal annehmen, Skywave heuert dich für eine Nachtsendung an … was sie wahrscheinlich nie tun würden, weil es billiger ist, dasselbe Programm eines anderen Studios, sagen wir aus Cincinnati, zu übertragen und einfach nur den hiesigen Wetterbericht einzufügen, um den Anschein eines lokalen Senders zu vermitteln. Aber sollten sie dich tatsächlich anheuern, hättest du aufzulegen, was sie dir sagen. Du wärst dann nicht mehr als eine menschliche Jukebox.«
»Hier geht es nicht um mich«, beharrt Shane. »Es geht mir um die Musik.«
»Ganz genau. Hör’s dir eine Woche lang an, und dann sag mir, ob es diesen Sendern noch um die Musik geht.« David schlägt Shane freundschaftlich auf die Schulter und beeilt sich dann, zu Regina hinüberzugehen.
Shane reibt sich die Augen. Ich sehe, dass er ganz dunkle Ringe unter den Augen hat. »Hast du Lust auf einen Drink?«, fragt er mich.
»Eigentlich nicht.«
»Ich meine ein alkoholisches Getränk. In der Öffentlichkeit.«
Klingt nicht sonderlich gefährlich – jedenfalls was das rein körperliche Risiko angeht. »Unter einer Bedingung. Du beantwortest mir alle meine Fragen über Vampire. Und zwar ehrlich.«
»Hat dir David das Feldhandbuch noch nicht in die Hand gedrückt?«
»Es ist auf Bürokratesisch. Im Übrigen werde ich das Gefühl nicht los, es könnte nichts als Propaganda sein.«
Shane studiert einen Augenblick lang die Decke. »Ich beantworte dir allgemeine Fragen, aber nehme mir das Recht heraus, meine eigene Privatsphäre zu schützen.«
»Abgemacht. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Pig.«
Als alle Vampire gegangen sind, kommt David zu mir herüber und hilft mir beim Aufräumen. »Vier von fünf. Nicht schlecht.«
»Vier von sechs. Vergessen Sie Monroe nicht!« Ich bewundere noch einmal das TShirt, bevor ich es zusammenfalte. »Monroe existiert doch, oder? Er ist nicht nur eine Stimme von einem Band?«
»Selbstverständlich existiert er. Aber er wird nicht mit Ihnen sprechen.«
»Warum nicht?«
»Denken Sie nach! Zu seinen Lebzeiten konnte ein schwarzer Mann dafür gelyncht werden, wenn er es wagte, sich mit einer weißen Frau zu unterhalten, ohne dass jeder Satz mit ›Jawohl, Ma’am‹ endete.«
»Aber die Zeiten sind doch längst vorbei!« Ich stelle den Projektor ab. »Ich will ja nicht behaupten, Rassismus wäre ausgestorben, aber …«
»Ciara, in seinem Kopf und seinem Herzen herrschen diese Zeiten immer noch. Er ist alt. Ein versteinertes, verstaubtes Fossil.«
»Und er kann seine Ansichten … nicht ändern?«
»Keiner von ihnen kann das.«
Mein Blick fällt auf den Stuhl, auf dem eben noch Shane gesessen hat.
»Ihn eingeschlossen«, sagt David.
»Ich kann das nicht glauben.« Ich stopfe die Folien in ihre Mappe. »Sie haben doch eben auch den Blick in ihren Augen gesehen. Sie wollen mehr, als einfach nur überleben. Sie möchten ihren Spaß. Kann sich ein Fossil nach Spaß sehnen?«
David schüttelt den Kopf. »Denken Sie daran: Sie sind keine Menschen mehr!«
»Ich denke nicht nur daran.« Ich greife mir meine Tasche und mache mich auf in Richtung Tür. »Ich versuche diesem Umstand alles abzugewinnen, was von irgendeinem Wert sein könnte.«
Das Smoking Pig ist beinahe verlassen. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass die Musik lauter als üblich zu sein scheint. Shane wartet schon an der Bar auf mich. Er unterhält sich mit Lori.
»Ciara, schau nur, wer hier ist!« Lori grinst, als hätte sie ihn persönlich für mich aufgerissen.
»Ist nur ein geschäftliches Treffen!« Ich deute auf das dunkle Glas Ale, das vor Shane steht. »Gib mir auch eins davon!«
»Unsere Marke aus höchsteigener Mikrobrauerei.« Lori angelt nach einem Pint-Glas. »Eines von den Experimenten, die mein Boss im Keller veranstaltet – aber ich schwöre euch alle heiligen Eide: Es ist ganz ungefährlich! Dieses Mal kann das Zeug eigentlich so gut wie gar nicht explodieren.«
Ich klettere auf einen Barhocker. »He, Lori … Shane und ich haben ein Geheimnis.«
»Geilomat! Welches?«
Shane dreht sich zu mir. »Das ist ein Scherz, oder?«
Ich
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