Roman
hinschaut.
Eine gedämpfte Stimme, liebevoll, tröstend dringt von jenseits der Tür zu uns herein, einen Moment lang begleitet von dem Geräusch laufenden Wassers aus dem Badezimmer.
Shane und ich schweigen. Ich sitze wieder am Fenster und schaue hinaus. Jetzt, wo sich meine Augen an die Dunkelheit draußen gewöhnt haben, erkenne ich, dass das Gebilde neben den Blumenbeeten, das mir vorhin aufgefallen war, eine Schaukel ist.
Die Frau kehrt ins Schlafzimmer zurück und schließt die Tür hinter sich ab. Sie wendet sich an Shane und streicht entschlossen ihr Haar hinters Ohr. »Vielleicht solltest du mich jetzt einfach beißen.«
Shane sieht erleichtert aus. »Ja. Gut. Okay.«
Gott sei Dank. Jetzt einen schnellen, großzügigen Schluck nehmen, und wir sind hier raus. Dann kann ich endlich nach Hause und das Bild des kleinen Jungen von meinem Frontallappen schrubben …
Shane wirft sich mit einer Geschwindigkeit auf die Frau, dass mir ein leiser Schreckenslaut entschlüpft, deren Echo aus dem Mund der Frau kommt. Shane lässt sich an ihrem Körper herabgleiten, bis er vor ihr auf dem Teppich kniet. Sie fährt ihm durchs Haar, streicht es ihm aus dem Gesicht.
Als Shane der Frau das rote Kleid über die Hüfte schiebt, öffnet er die Augen und blickt mir direkt ins Gesicht. Meine Muskeln erstarren wieder im Klein-Häschen-Modus. Sein triumphierendes Lächeln durchbohrt mich, noch ehe er seine Fangzähne in die milchweiße Haut schlägt.
Die Frau schreit auf. Ihre Hände verkrampfen sich in Shanes Haar, als ob sie ihn von sich wegziehen wolle. Dann gleiten sie auf Shanes Schultern hinunter. Fingernägel graben sich tief in seine Haut, während die Frau die Luft scharf durch zusammengepresste Zähne zieht.
Shanes Lider flattern, als er den ersten Schluck nimmt. Er stöhnt, und der Laut treibt mir ein heißes, schwindelerregendes Kribbeln vom Nacken aus über die gesamt Kopfhaut bis hin zur Stirn. Ein einzelner Blutstropfen rinnt der Brünetten die Taille hinunter. Völlig gebannt beobachte ich, wie das Blut in ihrem Hüftslip aus roter Seide versickert.
Es dauert viel länger, als ich erwartet hatte. Meine Füße kribbeln, tausend Nadeln drangsalieren mich, aber ich wage nicht, mich zu bewegen. Die Stimmung im Raum besitzt etwas Fragiles; alles und jedes scheint mit zähen, spinnennetzartigen Fasern aus reiner Energie verbunden zu sein. Wenn ich mich nur einen halben Zentimeter bewege oder auch nur zu tief atme, könnte die Balance, die zwischen seinem Überleben und ihrem herrscht, zerbrechen.
Der Frau knicken die Beine weg. Shane fängt sie auf und legt sie in einer fließenden, kontrollierten Bewegung, die nur allzu geübt wirkt, auf den Fußboden. Das Haar der Frau liegt ausgebreitet um ihr Gesicht – umgibt es wie ein dunkler Heiligenschein.
Shanes Haare verdecken mir den Blick auf sein Gesicht. Aber ich höre ihn tief durch die Nase atmen, während er trinkt. Obwohl der Körper der Frau schlaff in Shanes Armen liegt, wirkt es, als sei Shane der Hilflose, nicht sie. Mit der Rechten klammert er sich an ihren Schenkel, die Finger bewegen sich rhythmisch, kneten den Schenkel. Shane beginnt sich in einem Rhythmus zu wiegen, den nur er zu hören vermag. Gibt ihr Herzschlag diesen Rhythmus vor? Wird ihr Herzschlag langsamer?
Plötzlich bäumt sich ihr Körper gegen Shanes auf und wird steif in seinen Armen. Ihre Fingernägel kratzen über seine bloßen Schultern; sie ziehen acht dünne Furchen, aus denen Blut so rot wie das jedes Menschen tritt.
Es gibt einen dumpfen Schlag, als ihre Gliedmaßen auf dem Boden auftreffen. Einen Lidschlag später rollt sich Shane von der Frau. Rücklings liegt er auf dem Teppich, atmet schwer durch den Mund und stiert die Decke an. Lippen und Zähne sind blutverschmiert, was das Weiß seiner Fangzähne besonders hervorhebt. In Sekundenbruchteilen sind die dann plötzlich verschwunden. Shanes Pupillen sind winzig klein, weshalb das Blau der Iris noch blauer erscheint.
Neben Shane liegt die Frau, wie er auf dem Rücken. Jetzt streckt sie sich, ganz wie eine Katze, die aus einem Nickerchen erwacht. In einer lasziv-trägen Bewegung fährt sie Shane mit dem Finger über die Brust. »War’s gut?«
Zwischen schweren Atemzügen gelingt es ihm ein zustimmendes »Äh-hm« herauszubringen.
»Gut.« Sie hat dunkle Ringe unter den Augen, was vor allem deshalb auffällt, weil ihre Haut so viel bleicher ist als zuvor.
Shane schließt die Augen, und ein tiefes Stöhnen entringt sich
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