Roman
du es nur darauf anlegst. Aber du wirst es nicht tun – nicht, solange sie hier ist.« Sie macht eine Kopfbewegung in meine Richtung. »Du möchtest schließlich nicht, dass sie dich für ein Monster hält.«
Er beugt sich über sie. Seine Arme stützt er ganz eng rechts und links von ihrem Körper aufs Bett. »Ich bin kein Monster.«
Shane küsst die Frau, so sanft, dass mir der Atem wegbleibt. Ich presse eine Faust gegen den Mund und versuche mir einzureden, das Ganze wäre nur ein Film.
Die Frau zieht Shane das TShirt über den Kopf und wirft es achtlos auf den Boden. Er schaut dem TShirt hinterher, dann wandert sein Blick weiter, bis zu mir.
Mit einem Ruck zieht die Frau Shane zu sich hinunter, fährt ihm mit langen Fingernägeln den Rücken entlang, kratzt ihm rote Striemen ins Fleisch. Sein Körper reagiert, und Shane küsst sie, heftiger jetzt.
Sie schlingt die Beine um seine nackte Taille. Dabei rutscht ihr der Rock bis über die Hüften. Ich versuche, mich nicht dabei zu beobachten, wie ich die beiden beobachte. Die Finger habe ich in den Mund geschoben und beiße zu, fest, während ich nur noch aus Augen bestehe. Ich vergesse, was Shane mir vielleicht bedeuten könnte, vergesse, was er letzten Freitagabend mit mir gemacht hat. Ich vergesse Zukunft und Vergangenheit und gebe mich stattdessen völlig dem pornografischen Schauspiel hin.
Shane bricht den Kuss ab und knirscht mit den Zähnen. »Nein!«
»Nein was?«, fragt die Frau scharf.
»Ich kann das nicht!« Er macht sich aus ihrer Umarmung frei. »Ich meine, ich mache es nicht.« Er löst ihre Beine, die sie immer noch um seinen Körper geschlungen hat. Sein Gesicht ist verzerrt, als ob er Schmerzen hätte.
»Ihretwegen?« Enttäuschung lässt ihre Stimme zittern. Sie holt zum Tritt aus. Shane aber fängt die Ferse ab, bevor sie in seinen Eiern landet.
»Werd jetzt ja nicht aggressiv!«, warnt er.
Sie seufzt schwer auf. »Hey, Kleine, sag ihm schon, dass es okay für dich ist!«
Es ist okay für mich, aber ich will mich echt nicht zwischen den Fronten wiederfinden. »Ähm …«
Shane lässt mich gar nicht ausreden. »Für mich ist es nicht okay!«
Die Brünette lacht. »Es ist elf Uhr an einem Mittwochabend. Bei wem willst du es dir um diese Zeit denn sonst holen?« Sie setzt sich auf und streicht mit den Fingerspitzen über Shanes nackte Brust. »Du kühlst ab.« Sie sagt die Worte im Singsang, wie ein Kind, das ein anderes aufzieht.
Shane atmet rau durch, seine Stimme zittert jetzt ebenfalls. »Ich kann immer noch Blut aus der Blutbank haben.«
»Heute Abend vielleicht, ja. Aber wenn du das nächste Mal anrufst, bin ich vielleicht keine so flexible Spenderin mehr, die auf deine Bedürfnisse eingeht.«
Shane zuckt zurück vor ihr. »Das nennst du flexibel? Erst Sex verlangen und mir dann drohen?« Er reißt das TShirt, das vor dem Bett liegt, an sich. »Ich bin doch kein Stricher!«
»Wage es ja nicht, mich billig aussehen zu lassen!«, faucht sie. »Du hast bisher nicht ein einziges Mal Nein gesagt!«
Ich mag kein Wort mehr hören. »Hört auf damit, beide, sofort! Ich geh jetzt.« Ich verlasse die Sitzbank und bin schon unterwegs zur Tür.
»Ich komme mit«, sagt Shane.
»Mach dich nicht lächerlich!«, erwidere ich über die Schulter hinweg und öffne gleichzeitig die Tür. »Du brauchst was zu trinken. Und ich bin nur im Weg, oh …!«
Ich kann mich gerade noch am Türrahmen festhalten, damit ich nicht in den kleinen Jungen hineinrenne. Er steht unmittelbar vor der Schlafzimmertür. Mit den Händen umklammert er den Hals eines blauen Stofftiers, eines Hundes.
Ich blicke ihm in die weit aufgerissenen dunklen Augen. »Äh, hi!«
»Oje, Schätzchen!«, sagt die Frau. Die Musik endet abrupt. Die Frau kommt herüber, streicht sich im Gehen das Kleid glatt und fährt sich durchs Haar. »Mein kleiner Liebling, Mami hat ein paar Freunde da. Wir spielen ein kleines Spiel.«
»Ich kann nicht schlafen.« Der Kleine schaut mich an. »Darf ich auch spielen?«
Ich lehne mich gegen den Türrahmen und konzentriere mich auf die Decke. Es wäre voll daneben, der Brünetten jetzt auf ihren frisch shampoonierten Teppich zu reihern.
Die Brünette führt das Kind den Flur hinunter. Nach kurzem Zögern kehre ich ins Schlafzimmer zurück und schließe die Tür hinter mir. Shane sitzt auf der Bettkante, das TShirt im Schoß, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Schuld und Frustration. Unsere Blicke treffen sich, ganz kurz, ehe jeder woanders
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