Roman
seiner Kehle. Es ist ein Laut, der Sex und Tod verkörpert. Mit durchgedrücktem Kreuz bäumt Shane sich auf; seine Finger fahren durch den tiefen Flor des Teppichs, als sei es Gras.
»Ja«, flüstert die Frau, »jetzt gehört es ganz dir.«
Langsam entspannt sich Shanes Körper, während er in unsere Dimension von Leben zurückkehrt. Er schaut mich an, blinzelt heftig und setzt sich auf.
»Durchhalten«, flüstert er.
Er erhebt sich in einer einzigen, elegant fließenden Bewegung und greift nach einer Schachtel mit Mullkompressen auf der Frisierkommode. Mit glasigen Augen öffnet er zwei sterile Päckchen mit Kompressen, kniet sich hin und presst sie auf die Wundmale in der Taille der Frau.
Sie seufzt und legt die Hand auf die Mullquadrate. »Ich hab sie. Danke.«
Shane wirft mir einen Blick zu und wischt sich über den Mund. »Lass mich hier eben noch alles in Ordnung bringen, dann können wir los.« Er geht hinüber in das große Badezimmer. Die Tür fällt zu, und ich höre Prosaisches: Er putzt sich die Zähne.
Die Frau seufzt tief auf. Sie scheint damit zufrieden zu sein, einfach nur auf dem Boden zu liegen.
»Kann ich dir irgendwas holen?«
Verträumt lächelt sie mich an. »Meine Kippen. Am Fenster.«
Ich schüttele ihr eine Zigarette aus dem Päckchen. Die Frau steckt sie sich zwischen die Lippen und gibt mir zu verstehen, dass ich sie ihr anzünden soll. Ich erfülle ihr den Wunsch. Sie inhaliert den Rauch und atmet ihn offenkundig verzückt wieder aus.
»Du siehst aus, als könntest du auch eine gebrauchen«, meint sie. »Bedien dich.«
»Eigentlich habe ich aufgehört.« Meine Hände zittern. »Aber ich denke, ich mach mal ’ne Ausnahme.«
Die Frau wedelt kurz mit der Hand in Richtung Badezimmer. »Was bedeutet er dir?«
Ich zünde mir die Zigarette an, nehme zittrig einen ersten Zug. »Weiß ich noch nicht.«
»Shane ist in Ordnung. Sogar ein bisschen zu gut für diese Welt. Ich würde darauf wetten, damals, als er noch gelebt hat, hat er zu den Typen gehört, bei denen sich die Mädchen über ihre beknackten Kerle auslassen und nie merken, dass der, der sie glücklich machen könnte, gleich neben ihnen steht.«
Ich überlege, ob ich ihr meinen Namen nennen soll. Dann aber entscheide ich mich dagegen: Ihren Namen will ich nämlich gar nicht wissen. Die Gelegenheit ist dann eh vorbei, da die Frau einfach einschläft. Ich schnappe mir ihre Zigarette, die ihr aus der Hand zu fallen droht, bevor die Glut ein Loch in den Teppich brennt.
Shane öffnet die Badezimmertür und entschuldigt sich bei mir mit einem Blick. »Ich wage es kaum zu fragen, aber … ich komme nicht dran.« Er deutet auf seinen Rücken. Ich lege die Zigarette im Aschenbecher ab und gehe zu ihm hinüber.
Er drückt mir einen feuchten Waschlappen in die Hand, mit dem ich vorsichtig über die blutigen Streifen auf seinem Rücken fahre. Kaum ist das Blut weggewischt, ist seine Haut wieder heil und perfekt. Wenn überhaupt möglich, wirkt sie jetzt sogar noch samtiger, als ob Shane ein Algen-Ganzkörperpeeling gehabt hätte.
»Danke.« Er nimmt den Waschlappen und spült ihn im Waschbecken aus. »Langsam gehen mir die TShirts ohne Blutflecken aus.«
»Nett.«
Mit einem Handtuch reibt sich Shane Gesicht und Oberkörper trocken. »Wir reden gleich darüber. Ich muss erst sichergehen, dass sie in Ordnung ist.«
Die Frau stöhnt, als Shane sie aufhebt – mit der Leichtigkeit, mit der ich ein Kätzchen hochgehoben hätte – und sie aufs Bett legt. Behutsam tupft er Jod auf die Wunde und verbindet sie mit einem Klammerpflaster.
Als er die Frau zudeckt, murmelt sie: »Gib mir meine Handtasche. Liegt auf der Frisierkommode.«
Ich schnappe sie mir, aber als ich mich umdrehe, um sie der Frau zu reichen, gibt Shane mir ein Zeichen, es zu lassen. Zu spät. Sie nimmt die Tasche und wird wach genug, um ihre Brieftasche hervorzukramen.
»Nicht!«, sagt Shane.
»Ich möchte dir Geld geben.«
»Ich hab dir schon gesagt, dass ich kein Geld will. Auf gar keinen Scheiß-Fall!« Er hebt das Hemd auf und fährt mit den Armen in die Ärmel. »Das ist das letzte Mal, dass du mir das anbietest – sonst hörst du nie wieder was von mir!«
Diese Vorstellung scheint ihr nicht zu gefallen. Sie blickt mich Hilfe suchend an. Falls die Frau auf die Idee käme, mir Bargeld in die Hand zu drücken, behielte ich es als emotionale Wiedergutmachung.
»Leg dich einfach hin und schlaf ein bisschen.« Shanes Stimme klingt wieder sanft, zärtlich und
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