Roman
Femme fatale zu sein, werde ich rot.
»Leider haben Lexi und ich uns gestritten, nachdem du weg warst«, sage ich, weil ich unbedingt das Thema wechseln will. Toby scheint es nie etwas auszumachen, im Büro offen über sexuelle Dinge zu sprechen, was ich sehr schmeichelhaft, aber gleichzeitig auch unglaublich peinlich finde.
»Scheiße, echt? Hast du sie angemacht, weil sie betrunken nach Hause gekommen ist?«
»Ja, genau das habe ich. So etwas gibt es bei mir nicht. Ich weiß nicht, ob sie wirklich den ganzen Sommer bei mir bleiben kann, weißt du. Ich habe schließlich auch ein Leben.«
Er schiebt mir eine Haarsträhne hinter das Ohr.
»Und den Buchclub.«
»Ja, genau, den auch«, erwidere ich und versuche, nicht zu lächeln.
Er kommt noch näher. »Angesichts des Unterhosen-Fiaskos glaube ich, dass wir vielleicht keine andere Wahl haben, als uns im Rahmen des Buchclubs demnächst in einem kleinen Luxushotel mit einem Erotikroman zu beschäftigen, was meinst du?«
Hier ist deine Chance. Ruhig, distanziert. Du bist die Frau, die alles unter Kontrolle hat. Eine Frau, die in der Lage ist, die Dinge in Bereiche einzuteilen.
Also ziehe ich mich von ihm zurück und verschränke die Arme vor der Brust.
»Das sehen wir dann, ja?«, antworte ich, bevor ich sein Revers glatt streiche.
Dann gehe ich – mit meinen hohen Absätzen und meinem kurzen Rock – und schwinge dabei meine Hüften. Das war gut, Steele, das war sehr, sehr gut.
»Caroline«, ruft er mir drei Sekunden später nach.
»Was?«
»Dir klebt Klopapier unter dem Schuh.«
Es ist immer noch brütend heiß, als ich das Büro verlasse. Die Edgware Road bekommt eine neue Straßendecke, und der Geruch von Teer hängt in der Luft. Ich schiebe mich durch die Feierabend-Massen auf die U-Bahn zu, vorbei an dem arabischen Eisenwarenhandel und den Halal-Cafés, wo Männer in weißen Roben Pfeife rauchen und Karten spielen. Lächelnd erinnere ich mich an das Gespräch mit Toby und denke, dass ich bald, sehr bald neben ihm aufwachen werde. Und von da an wird dann alles besser für mich laufen.
10
Ich sehe die Nachricht sofort, als ich reinkomme. Sie lehnt auf dem Küchentisch an einer Vase. Die Handschrift ist typisch für einen Teenager: breit, weich, mit Kreisen als i-Punkten. Ich versuche, mich davon abzuhalten, mir einen Stift zu nehmen und die Fehler zu korrigieren (vor allem die fehlenden Personalpronomen).
Liebe große Schwester!
Habs mit meinem Exfreund geregelt und bin nach Hause gefahrn. Sorry wegen dem ganzen Ärger. War echt nett, das mit dem Wohnen bei dir, vor allem, wo ich doch weiß, wie beschäftigt du bist. War toll dich zu sehen. Und sorry, wenn ichs am Ende vermaselt hab.
C u soon (hoffe ich!)
Alles Liebe
Lex xxx
Das »Sorry, wenn ich’s am Ende vermasselt hab« schnürt mir für einen Moment die Kehle zu, aber um ehrlich zu sein, empfinde ich während des Lesens vor allem Erleichterung. Sie hat ihre Probleme gelöst – offensichtlich der Grund, warum sie überhaupt hergekommen ist –, und jetzt kann sie wieder gehen. Vielleicht war die kleine Unterbrechung, die ich ihr bieten konnte, ja alles, was sie brauchte.
Ich überlege kurz, ob es ein bisschen komisch ist, dass sie mir keine SMS geschrieben oder mich angerufen hat, um mir das zu sagen, aber man weiß ja, wie Teenager so sind. Theatralisch. Sie wollte vermutlich nicht den dramatischen Moment ruinieren, in dem ich ihren Abschiedsbrief finde.
Ich gehe in die Küche, und mich überkommt plötzlich ein Gefühl der Ruhe, weil ich das Haus jetzt wieder für mich allein habe. Geistesabwesend sortiere ich die Tee-, Kaffee- und Zuckerdosen wieder so, wie ich es mag, und beschließe, die Küche zu ent-Lex-en, indem ich die verstreuten Rice Krispies entferne, von denen einige den Weg in den Wasserkocher gefunden haben, und die roten Flecken von den Kacheln, die ihre tägliche Frucht-Smoothie-Zubereitung hinterlassen hat. Bevor ich mich versehe, schrubbe ich mit der Zahnbürste das Innere der Hähne. Ich bin dem Ruf der Küche gefolgt. Herrlich!
Gegen sieben setze ich mich mit einem großen Glas Wein hin. Gestärkt durch die Küchenreinigung denke ich darüber nach, bei Facebook reinzuschauen, wo ich mich gerne damit quäle, mir Bilder von Toby und Rachel anzusehen. Ich hoffe, dass durch das ständige Betrachten eine Immunität eintritt. Außerdem gibt es eins von ihr mit Doppelkinn, bei dem ich mich immer besser fühle. Mir ist auch aufgefallen, dass sie sehr schlecht geschnittene
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