Roman
war und immer im Mittelpunkt stehen musste, dann war es Toby selbst gewesen – in seinem Hawaii-Outfit und mit seinen dämlichen betrunkenen Witzen über die Art von Männern, auf die ich stehe. Warum hatte er sich den ganzen Nachmittag über wie ein kompletter Idiot verhalten?
»Das war natürlich nur ein doppelter Bluff!«, behauptet er, als ich ihn später an diesem Morgen in einer Ecke des Büros zur Rede stelle, so, als wäre ich extrem dämlich, weil ich darauf noch nicht selbst gekommen war.
»Wie meinst du das?«, frage ich und kann nicht verhindern, dass meine Stimme verletzt klingt.
»Wenn sie mich dabei sieht, wie ich versuche, dich mit einem anderen Kerl zu verkuppeln, dann wird sie nicht misstrauisch, Dummkopf.«
Ich sehe ihn mit großen Augen an.
»Bist du dir da sicher? Weil es so wirkte, als würde es dir gar nichts ausmachen. Als hättest du dich selbst vergessen und sogar noch Spaß an eurem Lass-uns-Caroline-verkuppeln-Spiel.«
Seine Augenbrauen heben sich alarmiert. Ich kann seine Gedanken fast lesen: Sie fängt doch nicht an zu klammern, oder? Wird sie paranoid? Emotional? Ist sie am Ende doch eine ganz normale Frau? Ist sie gar nicht die geheimnisvolle, kontrollierte Steele, die ich kenne und liebe? Und die Sache ist die: Ich kann es fühlen. Ich kann fühlen, wie die Mauern in mir zusammenbrechen, und das macht mir Angst, denn dadurch gerät alles außer Kontrolle. Jetzt, wo ich Rachel kennengelernt habe, in ihrem Haus gewesen bin und das Bett gesehen habe, das sie sich mit Toby teilt, komme ich mir dumm vor, wie die »andere Frau«, die ich ja auch bin. Wie kann ich damit konkurrieren? Mit fünf Jahren Ehe. Mit einem gemeinsam verbrachten Leben. Ich fühle mich verletzlich, nackt ausgezogen, so, als wäre meine Haut durchscheinend. Meine Nerven liegen blank. Wenn es sich so anfühlt, verliebt zu sein, dann bin ich nicht sicher, ob es mir gefällt.
Beende es, denke ich. Jetzt, bevor das alles richtig fies wird. Er ist verheiratet! Was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht? Aber dann, während ich in meinem Kaffee rühre, stellt er sich hinter mich und küsst meinen Hals – und da passiert es, ich kann es spüren, meine Abwehr schmilzt dahin. »Komm schon«, flüstert er mir ins Ohr und küsst meine Wange. »Jetzt sei doch nicht so paranoid und dumm. Fahren wir noch nach Brighton?«
Ich streichle seine Hand, dann küsse ich sie.
»Ja.«
»Gut, weil ich glaube, dass diese junge Dame dringend verwöhnt werden muss, und ich glaube, ich kenne genau den richtigen Ort dafür.«
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich an diesem Morgen viel zu viel im Kopf habe, um mich mit der Entschuldigungsmail von Wayne zu befassen. Irgendetwas darüber, dass es ihm leidtut, was an jenem Abend auf dem Boot passiert ist, aber dass er es erklären kann. Und ob er mich als Entschuldigung zum Essen einladen darf? Oh, und er hat etwas Wichtiges, dass er Lexi zurückgeben muss.
Um ganz ehrlich zu sein, macht es mir gar nicht mehr so viel aus. Dass Wayne im betrunkenen Kopf meine Schwester begrapscht hat, verblasst vor den Ereignissen dieses Wochenendes. Ich bin wohl kaum ein leuchtendes moralisches Beispiel, wenn ich mit einem verheirateten Mann schlafe. Und Toby? Na ja. Wenn das Herumfummeln an einem Mädchen, das zehn Jahre jünger ist als man selbst, auf der Fragwürdige-Moral-Skala bis zehn eine Sieben ist, dann ist das Betrügen der eigenen Ehefrau mindestens eine Acht.
Wayne schlägt vor, dass wir uns in der Patisserie an der Marylebone High Street treffen. Er sitzt draußen in der Sonne und liest, als ich komme. Er trägt eine Flieger-Sonnenbrille oben auf dem Kopf und eine lächerlich kurze Retro-Jacke.
»Hi.« Ich stehe vor seinem Tisch und nehme ihm die Sonne. Eigentlich bin ich wirklich nicht in der Stimmung für das hier. Tatsächlich wird mir plötzlich klar, dass ich, selbst wenn ich wollte, nicht mieserer Stimmung hätte sein können.
»Hi!« Ich habe ihn erschreckt, und er schließt verlegen das Buch. »Tut mir leid, ich habe dich nicht gesehen. Bitte …« Er deutet auf den Stuhl ihm gegenüber. »Setz dich. Ich hoffe, das hier ist nicht zu rustikal für dich.«
Wow, er hält mich also wirklich für einen verklemmten, fantasielosen Kulturbanausen, der nicht mit Orten zurechtkommt, die auch nur ein wenig außerhalb des Zentrums liegen. Es ist eine Patisserie, verdammt noch mal, kein estländisches Knödel-Restaurant.
»Es ist schön hier, danke.« Ich setze mich, ziehe aber meine Jacke
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