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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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einem komischen langstieligen Schöpflöffel, der mehr die Form eines Trichters hatte; zwei andere Männer, so eine Art Gehilfen, die ebenfalls nicht zu uns gehörten, händigten dazu rote Emaillenäpfe und zerbeulte Löffel aus – je einen für zwei Personen, da der Bestand knapp sei, wie sie uns mitteilten: weshalb das Geschirr – so fügten sie hinzu – sofort nach Gebrauch zurückzuerstatten sei. Nach einiger Zeit kam auch ich an die Reihe. Suppe, Napf und Löffel erhielt ich mit dem «Zierlederer» zusammen: Ich war nicht gerade erfreut, da es noch nie meine Gewohnheit gewesen war, mit anderen zusammen aus ein und demselben Teller und mit ein und demselben Löffel zu essen, doch auch das, ich sah es ein, kann zuweilen im Bereich der Notwendigkeit liegen. Zuerst kostete er von der Suppe, dann reichte er sie sofort an mich weiter. Er machte ein etwas merkwürdiges Gesicht. Ich fragte ihn, wie die Suppe denn sei, aber er sagte, ich solle doch einfach mal probieren. Doch da sah ich schon, wie sich die Jungen ringsum teils entsetzt, teils prustend vor Lachen anschauten. Ich habe dann auch einen Löffel voll genommen und musste finden, dass die Suppe in der Tat leider nicht essbar war. Ich habe den «Zierlederer» gefragt, was wir machen sollten, und er hat gesagt, von ihm aus könne ich sie ruhig ausgießen. Zur gleichen Zeit ertönte von hinten eine heitere Stimme, die uns aufklärte: «Das ist sogenanntes Dörrgemüse », sagte sie. Ich erblickte einen untersetzten, schon erfahrenen Mann, unter seiner Nase die weißliche Spur eines ehemaligen eckigen Schnurrbarts, das Gesicht voll wohlmeinenden Wissens. Es standen noch ein paar andere um uns herum, mit angewiderter Miene Napf und Löffel festhaltend, und ihnen erzählte er, dass er schon an dem früheren, dem gegenwärtigen vorangegangenen Weltkrieg teilgenommen hatte, und zwar als Offizier. «Da hatte ich genügend Gelegenheit», so berichtete er, «dieses Essen gründlich kennenzulernen, und zwar im Kreis der deutschen Kameraden an der Front, mit denen wir uns damals gemeinsam schlugen» – so hat er es formuliert. Für ungarische Mägen sei solches gedörrtes Gemüse – so hat er mit einem irgendwie verständnisvollen, gewissermaßen nachsichtigen Lächeln hinzugefügt – natürlich ungewohnt. Doch er hat uns versichert, dass man sich daran gewöhnen könne, ja, seines Erachtens auch solle, da es viele «Nährstoffe und Vitamine» enthalte, wofür, so erklärte er, das Dörrverfahren und die Kundigkeit der Deutschen auf diesem Gebiet bürgten. «Und überhaupt», bemerkte er mit erneutem Lächeln, «für den guten Soldaten ist das erste Gebot: Alles essen, was es heute gibt, denn wer weiß, ob es auch morgen etwas geben wird», das waren seine Worte. Und dann hat er tatsächlich seine Ration ausgelöffelt, gleichmäßig, ruhig, ohne eine Miene zu verziehen, bis zum letzten Tropfen. Meine Ration habe ich dann doch an der Barackenwand ausgeleert, so wie ich es von einigen Erwachsenen und Jungen gesehen hatte. Aber ich kam in Verlegenheit, weil ich von weitem den Blick unseres Vorstehers sah und besorgt war, dass es ihn vielleicht kränken könnte; doch es war da nur wieder dieser eigentümliche Ausdruck, dieses unbestimmte Lächeln auf seinem Gesicht, wie ich flüchtig festzustellen meinte. Ich habe dann das Geschirr zurückgebracht und dafür eine dicke Scheibe Brot erhalten, darauf eine weiße Masse, die einem länglichen Klotz aus dem Baukasten ähnelte und auch ungefähr so dick war: Butter – nein, Margarine, wie es hieß. Das habe ich dann verspeist, obgleich ich auch solches Brot noch niemals gesehen hatte: viereckig und als wären die Rinde und das Innere aus dem gleichen schwarzen Schlamm gebacken, mit Strohhalmen und Körnchen dazwischen, die unter den Zähnen knirschten; aber immerhin, es war Brot, und ich hatte auf der langen Reise schließlich doch Hunger bekommen. Die Margarine verstrich ich mangels eines besseren Werkzeugs mit dem Finger, so nach Robinsonart, gewissermaßen, im Übrigen genau so, wie ich es bei den anderen gesehen hatte. Dann sah ich mich nach Wasser um, doch unangenehmerweise stellte sich heraus, dass es keines gab: Ich war ganz schön ärgerlich, na, nun durften wir also wieder Durst haben, genau das Gleiche wie in der Eisenbahn.
    Zu dieser Zeit mussten wir, nun aber ganz ernsthaft, auf den Geruch aufmerksam werden. Es wäre schwer, ihn genau zu umschreiben: süßlich und irgendwie klebrig, auch das nun schon bekannte

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