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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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Hand einen schweren Knüppel, und man sich entfernen musste, so wie man eben war. Ein paar andere alteingesessene, aber einfachere Gefangene lungerten ebenfalls dort herum: Sie erwiesen sich als gutmütiger und ließen sich auch gern zu ein paar Auskünften herbei. Der Weg hin und zurück, den der Blockkommandant uns gewiesen hatte, war ziemlich lang, er führte an einer interessanten Siedlung vorbei: hinter dem Drahtzaun die üblichen Schuppen, dazwischen merkwürdige Frauen (von der einen habe ich mich schnell abgewandt, weil aus ihrem offenen Kleid gerade etwas heraushing, an das sich ein Säugling – sein kahler Schädel glänzte in der Sonne – krampfhaft klammerte) und noch merkwürdigere Männer, zumeist in abgetragenen Anzügen, aber alles in allem doch solchen, wie die Leute sie draußen trugen, in der Freiheit, wenn ich so sagen darf. Auf dem Rückweg wusste ich es dann auch schon: Es war das Lager der Zigeuner. Ich war auch etwas überrascht: Zu Hause hatten zwar mehr oder weniger alle, und auch ich, versteht sich, eine etwas zurückhaltende Meinung von den Zigeunern gehabt, aber bis dahin hatte ich noch nie gehört, dass sie Verbrecher seien. Gerade kam ein Fuhrwerk vorbei, das von kleineren Kindern gezogen wurde, über ihren Schultern ein Geschirr so wie bei Ponys, und neben ihnen ging ein Mann mit einem großen Schnurrbart, in der Hand eine Peitsche. Die Ladung war von Decken verhüllt, doch durch die vielen Lumpen und Löcher guckten unverkennbar Brote hervor, und zwar weiße Laibe: Auch daraus konnte ich schließen, dass sie doch irgendwie eine Stufe höher standen als wir. Noch ein anderes Bild ist mir von diesem Spaziergang im Gedächtnis geblieben: In der anderen Richtung, auf der Hauptstraße, sah ich einen Mann in weißer Kleidung gehen – an den Seiten der weißen Hose breite rote Streifen, auf dem Kopf eine große schwarze Künstlermütze, wie sie, ihren Bildern nach zu urteilen, die Maler im Mittelalter trugen, und in seiner Hand ein dicker, herrschaftlicher Stock –, der die ganze Zeit in der Gegend umherblickte, und mir fiel es ziemlich schwer zu glauben – wie jedoch behauptet wurde –, dass dieser Hochwohlgeborene auch nur ein Strafgefangener sein sollte, so wie wir auch.
    Ich könnte es sogar beschwören: Ich habe auf diesem Weg mit keinem einzigen fremden Menschen gesprochen. Und dennoch, tatsächlich könnte ich meine genaueren Erkenntnisse an diesen Zeitpunkt knüpfen. Da, gegenüber, verbrannten in diesem Augenblick unsere Reisegefährten aus der Eisenbahn, alle, die im Auto hatten mitfahren wollen, und all die, die sich vor dem Arzt aus Alters- oder anderen Gründen als untauglich erwiesen hatten, genauso die Kleinen und mit ihnen die Mütter und die, die es in der Zukunft geworden wären, denen man es bereits hatte ansehen können, so hieß es. Auch sie seien vom Bahnhof zum Bad gegangen. Auch sie seien über die Kleiderhaken, die Nummern, den Ablauf im Bad unterrichtet worden, genauso wie wir. Auch Friseure seien dort gewesen – so wurde behauptet –, und auch die Seife habe man ihnen ausgehändigt. Und dann seien auch sie in den Baderaum geführt worden, wo, so hörte ich, auch solche Rohre und Duschen vorhanden waren: nur dass man aus ihnen nicht Wasser, sondern Gas auf sie herunterließ. All das habe ich nicht auf einmal, sondern eher nach und nach erfahren, durch immer neue Einzelheiten ergänzt, von denen einige angezweifelt, andere aber bestätigt, ja, sogar noch um weitere ergänzt wurden. In der Zwischenzeit – hörte ich – sei man sehr freundlich zu ihnen, sie würden liebevoll umsorgt, die Kinder sängen und spielten Ball, und der Ort, wo sie vergast wurden, sei sehr hübsch gelegen, zwischen Rasenplätzen, Wäldchen und Blumenbeeten: Deshalb hatte ich schließlich den Eindruck, es sei eine Art Schabernack, irgendetwas wie ein Studentenstreich. Dazu trug, wenn ich es recht überlegte, auch bei, wie geschickt sie mich zum Beispiel in andere Kleider gesteckt hatten, einfach so, dank dieses Einfalls mit den Haken und den darauf befindlichen Nummern, oder wie sie zum Beispiel diejenigen, die noch Wertsachen besaßen, mit dem Röntgen erschreckt hatten, was ja am Ende ein leeres Wort geblieben war. Freilich – das sah ich ein – war das Ganze, von der anderen Seite gesehen, natürlich nicht nur Schabernack, denn von dem Ergebnis – um es so zu formulieren – konnte ich mich schließlich mit meinen eigenen Augen überzeugen, und vor allem durch meinen ständig

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