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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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Republik Zypern verlangten schließlich von Maria, sie solle jeweils vor dem Konzert ein Kommuniqué verlesen. Dieses allerdings gab auf völlig einseitige Weise die Ansichten der zypriotischen Griechen wieder und entsprach damit in keiner Weise dem Geist unserer bisherigen Bemühungen um eine Völkerverständigung, ja sabotierte diese geradezu.
    Maria setzte das Ganze sehr zu. »Jetzt stellen sie mich schon als Vaterlandsverräterin hin«, klagte sie. Ich hatte sie noch nie in so einem Zustand gesehen. Der von der Botschaft ausgeübte Druck nahm indessen ständig zu.
    Ich sagte Maria, dass ich ihre Lage sehr wohl verstehe, aber ihr nicht helfen könne. Alles, was wir bis dahin vollbracht hatten, war in völliger künstlerischer Unabhängigkeit und fernab politischer Einflussnahme geschehen, und genau das machte auch unsere Stärke aus.
    Nicht dass Maria Griechin war, stand für mich im Vordergrund, sondern ihr Talent als Solistin, und so beschränkte sich meine Zusammenarbeit mit Sängerinnen auch nicht auf sie allein. Ich bin mit einer anderen Maria, nämlich mit Maria del Mar Bonet aus Barcelona zusammen aufgetreten und habe mit ihr Plattenaufnahmen gemacht, ohne dass daraus eine türkischspanische Freundschaft abgeleitet wurde, genauso wenig wie es mit türkisch-amerikanischer Freundschaft zu tun hatte, als ich mit Joan Baez zusammenarbeitete. Meine Lieder wurden von Sängern aus über zwanzig Nationen gesungen, aber nie wurde das so politisch aufgefasst wie bei griechischen Künstlern.
    Ich steckte in einer Zwickmühle. Einerseits tat mir Maria leid, aber andererseits war ich strikt dagegen, jenen provokativen Thesen durch unsere Konzerte ein Forum zu bieten. In Le Matin stand ein ganzseitiger Artikel über uns, und Medien wie der Spiegel , die FAZ , Helsingin Sanomat und Dagens Nyheter hatten gerade über unsere Tournee und unsere vorbildliche Zusammenarbeit berichtet.
    Schließlich verzichtete Maria darauf, das Kommuniqué vorzulesen, aber unsere Freundschaft hatte unter dem politischen Druck Schaden genommen. Während der Proben im Théâtre de la Ville gifteten wir uns regelrecht an und stritten unter anderem darum, wer wie viele Lieder singen und von wann bis wann die Proben dauern sollten. Sie gab mir die Schuld an allem und ich ihr genauso. Vor den Orchestermusikern warfen wir uns die schlimmsten Beleidigungen an den Kopf.
    Wie immer, wenn ich in Nöten war, wandte ich mich an Abidin Dino, und gemeinsam kamen wir zu dem Schluss, es wäre wohl am besten, ich würde vor jedem Konzert meinen Standpunkt in einer kurzen Erklärung darlegen, und Maria könnte danach machen, was sie wollte. Wir verfassten auch gleich einen entsprechenden Text.
    Schließlich begannen die Konzerte. Wir sangen sieben Abende lang vor ausverkauftem Haus, aber ohne auf der Bühne oder danach ein Wort miteinander zu wechseln. Und jeden Abend gab ich meine Stellungnahme ab.
    Als der letzte Vorhang gefallen war, fiel eine ungeheure Last von uns ab. Für Abidin und Güzin Dino, Selçuk Demirel und eine ganze Reihe von anderen Freunden hatte ich das Kellergewölbe des Restaurants Üç Çavuş auf der Île Saint Louis reserviert, und dort sangen und tranken wir bis in den frühen Morgen. Als wir ziemlich betrunken das Lokal verließen, wankten wir im frühen Sonnenlicht an der Seine entlang und summten noch immer türkische Lieder vor uns hin.
    Schön ist, dass meine Künstler- und Lebensfreundschaft mit Maria Farantouri jene Krise schließlich dennoch überwunden hat.

 
    1984   drei Jahre nach dem Putsch, hatten wir das Gefühl, wir könnten in die Türkei zurückkehren. Der politische Druck hatte nachgelassen, und es war wieder eine zivile Regierung im Amt. Dennoch wusste ich nicht, ob gegen mich vor einem Gericht noch etwas vorlag, und insbesondere mein Vater war dafür, dass ich noch abwarten sollte.
    Während wir uns mit diesen Gedanken trugen, erfuhren wir, dass Yaşar Kemal zum Commandeur der Ehrenlegion ernannt werden sollte. In der Türkei wurde sogleich eine Kampagne gestartet, laut der Frankreich die armenische Terrororganisation ASALA unterstütze und Yaşar Kemal daher den Orden, der noch dazu von François Mitterrand überreicht werden sollte, zurückweisen müsse. Yaşar Kemal scherte sich nicht darum und kam mit Thilda nach Paris in unsere kleine Wohnung in Montparnasse.
    Am Tag der Verleihung gingen wir gemeinsam in den Elysée-Palast und nahmen in einem prunkvollen Saal unsere Plätze ein. Angekündigt von Bediensteten

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