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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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in schwarzen Fracks und mit seltsamen Halsketten trat Mitterrand schließlich ein. Die Auszuzeichnenden – der Dokumentarfilmer Joris Ivens, Elie Wiesel, Federico Fellini und Yaşar Kemal – standen aufgereiht da.
    Mitterrand sagte zu jedem der Künstler ein paar Worte, bevor er ihm den Orden an die Brust heftete. Es herrschte eine sehr feierliche, fast gespannte Stimmung. Als Yaşar Kemal an der Reihe war, wurde er von Mitterrand als einer der größten Romanciers seiner Zeit gewürdigt. Yaşar Kemal setzte daraufhin ein entwaffnendes Lächeln auf, von dem auch Mitterrand angesteckt wurde, so dass sich die Atmosphäre etwa lockerte.
    Nach der Verleihung sprach ich Yaşar Kemal und Federico Fellini auf ihre Ähnlichkeit an, worauf einer der beiden (ich weiß nicht mehr welcher) erwiderte: »Wir haben ja auch dieselbe Mutter: das Mittelmeer.«
    Da unser Entschluss, in die Türkei zurückzugehen, mittlerweile gefasst war, begannen wir nach der Feier im Elysée-Palast mit den Vorbereitungen dazu. Den Haushalt brauchten wir nicht aufzulösen, denn Bekannte von Abidin Dino wollten sich in Paris niederlassen und würden die Wohnung einfach möbliert übernehmen.
    So siedelten wir im April 1984 zurück in die Türkei, wo unsere bescheidene Wohnung in Akatlar noch unser harrte. Die Passkontrolle am Flughafen verlief reibungslos. Da ich mir meiner Sache noch nicht sicher war, bat ich Journalisten, die von meiner Rückkehr vernommen hatten, noch nichts darüber zu schreiben.
    Im Sommer mieteten wir zusammen mit unseren Freunden Ataman und Nuran Onar ein Haus auf Sedef, der kleinsten der Prinzeninseln im Marmara-Meer, und verbrachten dort einen unvergesslichen Urlaub. Wie lange hatte ich mich danach gesehnt, beim Aufwachen würzigen Pinienduft in der Nase zu haben, in aller Herrgottsfrühe zum Angeln hinauszufahren und in der Abenddämmerung lange Gespräche zu führen!
    Im Herbst brachten wir das Ada -Album in der Türkei heraus. Wie schon seine Vorgängeralben wurde es zunächst von bestimmten Intellektuellenkreisen zerpflückt und danach zum Publikumserfolg. Etwa ein Jahr lang führte es die Bestsellerliste an.
    Für mich misst sich der wirkliche Erfolg einer Platte allerdings daran, wie viele Lieder daraus ich bei späteren Konzerten in mein Repertoire aufnehme. Ein Konzert trägt in gewisser Hinsicht immer auch »Best of«-Charakter, und Stücke, die sich beim Publikum nicht durchsetzen, braucht man irgendwann nicht mehr darzubieten. Aus dem Ada -Album kann ich noch heute fünf, sechs Lieder spielen, und das nach dem Gedicht von Paul Éluard komponierte »Özgürlük« hat sich zum unverzichtbaren Schlusslied jedes meiner Konzerte entwickelt.
    Nun war es auch Zeit für meine ersten Auftritte. Ich bekam das Angebot, im Şan-Theater in Istanbul eine Reihe von Konzerten zu geben. Es würde nach langer Unterbrechung mein erstes Wiedersehen mit türkischem Publikum sein, und entsprechend aufgeregt war ich. Ich bereitete mich ausführlich darauf vor und stellte mit ausgezeichneten Musikern ein dreizehnköpfiges Begleitorchester zusammen. Kaum wurde mit Plakaten und Zeitungsanzeigen für die Konzerte Werbung gemacht, herrschte auch schon ein Riesenandrang auf die Eintrittskarten.
    Dann kam der erste Konzertabend. Das Orchester nahm auf der Bühne Platz, die mit verschiedenfarbig beleuchteten Tüchern herrlich dekoriert war. Nach der langen Abwesenheit ging mir das Selbstvertrauen ab, das ich sonst bei meinen Konzerten hatte. Noch dazu waren die ersten Reihen wie bei vielen Eröffnungskonzerten mit geladenen Gästen gefüllt, die im Allgemeinen keine sehr begeisterungsfähige Zuhörerschaft abgeben.
    Wir schlugen uns dennoch wacker und stellten das Publikum zufrieden. Am zweiten Abend ließ unsere Aufregung schon nach, und das Orchester war besser eingespielt. Vor ausverkauftem Haus gaben wir insgesamt siebzehn Konzerte; so lange hatte ich noch nie auf der Bühne gestanden. Die Schlange an der Konzertkasse nahm nicht ab, sondern zu, und die Leute stellten sich schon frühmorgens dort an, so dass die Organisatoren auf eine Verlängerung drängten. Ich war jedoch dagegen und setzte mich damit auch durch, denn es war mir lieber, auf dem Höhepunkt aufzuhören.
    Die Presse brachte mir nach dem Erfolg des Ada -Albums und der Konzerte plötzlich ungeahntes Wohlwollen entgegen, ja ich entwickelte mich – wie der Korrespondent einer ausländischen Zeitung es ausdrückte – zum »darling of the Turkish press«.
    Meine erste Platte

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