Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
1986 nach Istanbul ein. Er kam ausgerechnet an seinem Geburtstag an und sagte: »Einundsechzig! Wenn man das so hört, kann man gar nicht glauben, dass man selber damit gemeint ist.«
Zu der Verleihung im Marmara-Hotel waren viele türkische Intellektuelle gekommen, um Mikis kennenzulernen. Die Goldenen Schallplatten erhielten wir aus der Hand von Yaşar Kemal, und ich sah später in Mikis’ Haus auf der Akropolis, dass er seinem Exemplar einen Ehrenplatz neben einem Foto gegeben hatte, das ihn mit Fidel Castro zeigte.
Als wir am Abend in einem Fischrestaurant in Sarıyer zusammensaßen, kam uns der Gedanke, eine griechisch-türkische Freundschaftsgesellschaft zu gründen. Bald danach setzten wir dies auch in die Tat um, und in beiden Ländern wurde je ein Komitee dazu ins Leben gerufen. Über viele Jahre hinweg bemühten sich die beiden Komitees um eine Annäherung zwischen der Türkei und Griechenland. Bei einem Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Turgut Özal etwa regten wir an, die Visapflicht zwischen beiden Ländern aufzuheben. Özal handelte dann auch tatsächlich danach, während Griechenland es leider bis heute nicht getan hat.
Bestimmte Erinnerungen an meine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft mit Mikis Theodorakis drängen sich mir besonders auf wie etwa unser Konzert im antiken Theater von Ephesus, zusammen mit Manos Hadjidakis, der bald danach verstarb.
1997 ging ich mit Mikis auf Europa-Tournee. Auf unserer ersten Station in Berlin gab der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel zu unseren Ehren im Gästehaus des Auswärtigen Amtes einen Empfang. Während der Proben in Berlin wurde Mikis immer hinfälliger, bis er schließlich sogar Blut spuckte und wir ihn ins Krankenhaus brachten. Da die Ärzte ihm die Tour auf keinen Fall erlauben wollten, rief ich gleich Maria an, ob sie nicht einspringen könne, doch Mikis bestand darauf, zumindest das Berliner Konzert noch zu absolvieren, das aber dann sein letztes sein sollte. Begleitet von einem Orchester aus deutschen, griechischen und türkischen Musikern und vom Chor der Deutschen Oper brachten wir eine wundervolle Aufführung zustande.
Mikis wurde mit einer Privatmaschine nach Athen zurückgebracht und erholte sich in seinem Sommerhaus in Korinth. Als ich ihn dort besuchte, sagte er, dass er nichts als schlafe und sich mit dämlichen Filmen beriesele, in denen es mindestens fünf Tote geben müsse.
Wir kamen danach noch mehrfach zusammen, unter anderem zu seinem 80. Geburtstag, den wir mit kleinen Konzerten auf den Inseln Çeşme und Chios begingen. Mikis, der sich schon mit 61 über sein Alter gewundert hatte, war mit 80 zum von Krankheit gezeichneten Mann geworden. Die beiden Konzerte, denen er als Zuhörer beiwohnte, machten ihn sehr glücklich.
Auch mit zahlreichen anderen griechischen Künstlern habe ich zusammengearbeitet. Auf der Straße wurde ich immer wieder von Leuten begrüßt und umarmt, oder Kellner wollten für den Kaffee von mir kein Geld annehmen.
In meiner seit über 30 Jahren währenden Beziehung zu den Griechen kam es lediglich zu zwei problematischen Konzerten. Das eine davon fand 2003 auf Zypern statt, und zwar auf der sogenannten Grünen Linie, die seit 1975 Nord- und Südzypern trennt. Gemeinsam organisiert wurde das Konzert von der nordzypriotischen Partei des späteren Staatspräsidenten Mehmet Ali Talat und der südzypriotischen AKEL , die zu jener Zeit mit an der Reigerung war. Ich wusste damals noch nicht, wie sehr auf Zypern auch die Musik zu einer politischen Angelegenheit geworden war. Zwar hatte ich zuvor in Paris und im Jahre 2000 bei einem Konzert in New York am Broadway schon gemerkt, dass die zypriotischen Griechen im Vergleich zu den Festlandgriechen gegenüber Türken viel feindseliger agierten, doch da wir diesmal von ihnen eingeladen waren, rechnete ich nicht mit Problemen.
Dabei bestand die Hauptschwierigkeit darin, überhaupt auf die Insel zu kommen. Wir wollten in Athen proben und von dort nach Zypern fliegen, und zwar ins südzypriotische Larnaka, denn da die griechischen Zyprer den Nordteil der Insel nicht als Staat anerkannten, durfte man über diesen auch nicht nach Südzypern einreisen. Das wiederum bereitete dem türkischen Nordzypern Kopfschmerzen; dort verlangte man von uns, unbedingt über das nordzypriotische Ercan einzureisen. So machte ich folgenden Kompromissvorschlag: Wir würden über Larnaka einreisen und nach dem Konzert von Ercan aus wieder abfliegen. Die
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