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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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auffordern wollte, und stieg, sich mühsam beugend, hinauf.
    Indessen drehte der Vater mich mit dem Gesicht zu sich und vereinte mich mit ihm, indem er seine Hände auf meine Schultern legte, sodass seine Arme wie zwei parallele Masten waren, an denen die weiten Ärmel seines Priestergewands wie aufgerollte Flaggen herabhingen. Ich stand jetzt mit dem Rücken zu Kejman, der sich noch auf der Treppe befand, sah aber deutlich an den Augen des Vaters, die an mir vorbei auf jene Treppe gerichtet waren, dass er abwartete, bis Kejman oben war und hinter der Treppenbiegung verschwinden würde.
    «Sagen Sie mir » , wandte sich der Vater fragend an mich, wobei er seinen Blick von der Treppe weg auf mich richtete, «sagen Sie mir nun, mein Junge, warum wollten Sie das tun ?» Bei «das » drückten seine Hände sich leicht in meineSchultern. Aber ich, versöhnt und darum verlegen, schwieg.
    «Sie schweigen, mein Junge. Nun ja. Dann erlauben Sie mir an Ihrer Stelle zu antworten und zu sagen, dass Sie es nicht zulassen konnten – während Ihr Freund, wie Sie denken, sich im Namen Christi opfert – , unbeschadet davonzukommen, wo Ihnen die Wahrheit doch über das eigene Wohl geht? Ist es nicht so – nun ?»
    Obwohl ich dachte, dass dem ganz und gar nicht so war und diese Vermutung sogar peinlich für mich war, bewog mich eine verworrene Mischung aus Höflichkeit und Respekt gegenüber diesem alten Mann, seine Worte mit einem Nicken zu bestätigen.
    «Aber da Sie sich nun einmal zu diesem Schritt entschieden haben » , fuhr er fort, «haben Sie wohl auch nicht daran gezweifelt, dass das Erste, was ich tun werde, ist, mich zu beschweren und alles zu berichten, was unten geschehen ist. Ist es nicht so, mein Junge ?»
    Obgleich diese Vermutung der Wahrheit schon viel näherkam als die erste, hielt mich jene Mischung aus Höflichkeit und Respekt von dem ab, wozu sie mich bei seiner ersten Frage bewogen hatte: Ich bestätigte die Richtigkeit seiner Vermutung weder durch ein Kopfnicken noch durch meinen Gesichtsausdruck, sondern sah ihm abwartend in die Augen.
    «In diesem Falle » , sagte der Vater, während er mich mit irgendwie besonders großen Augen anschaute, «in diesem Falle haben Sie sich getäuscht, mein Junge. Also gehen Sie zu Ihrem Freund und richten Sie ihm aus, dass ich hier Geistlicher bin» – er drückte mir die Schultern – «aber kein Denunziant, nein .» Plötzlich gebrechlich, wie um Jahre gealtert, als hätte er seine ganze Entschiedenheit verloren, sagte der Vater mit immer leiser werdender Stimme: «Gott möge sein Richter sein, einen alten Mann so zu beleidigen; wo ich doch einen Sohn …» – sehr leise, wie ein Geheimnis – « in diesem Krieg …» – schon ganz ohne Stimme, die Lippen flüsternd bewegend – «verloren … »
    Eben noch, als der Vater begonnen hatte, mit mir zu sprechen, war mir die Nähe zu seinem bärtigen Gesicht, zu der mich seine auf meinen Schultern ruhenden Hände nötigten, unangenehm gewesen – deshalb war es mir vorgekommen, als würden die Hände mich regelrecht an ihn ziehen. Jetzt hatte ich hingegen das Gefühl, als würden seine Hände mich wegstoßen – so entsetzlich gerne wollte ich ihm näher sein. Aber plötzlich nahm der Vater seine Hände von meinen Schultern, wandte verärgert seine tränengefüllten Augen von mir ab und ging rasch, an der Treppe vorbei, den Gang entlang.
    Ich fühlte, ich wünschte mir jetzt zweierlei: zum einen, mich an des Vaters Gesicht zu schmiegen, es zu küssen und zärtlich zu weinen; zum anderen, zu Burkewitz zu rennen, ihmalles zu erzählen und teuflisch zu lachen. Diese beiden Wünsche waren wie Parfüm und Gestank zugleich: Sie hoben sich nicht gegenseitig auf, sie verstärkten einander. Ihre Gegensätzlichkeit bestand nur darin, dass der Wunsch, mich an des Vaters Gesicht zu schmiegen, schwächer wurde, je weiter er sich im Gang von mir entfernte, wohingegen der Wunsch, die frohe Nachricht zu überbringen und den Helden zu spielen, immer größer wurde, je näher ich über die Treppe der Stelle kam, wo ich Burkewitz zurückgelassen hatte. Obwohl ich sehr ge nau wusste, dass die begeisterte Eile überflüssig war und meiner Heldenehre nur schaden würde, konnte ich mich doch nicht zurückhalten, und alles sprudelte in wenigen Sätzen aus mir heraus, kaum dass ich bei Burkewitz war. Der aber begriff augenscheinlich nicht, sein Blick schweifte über mich hinweg, war müde von der Qual und kam von weit her; abwesend und wie aus

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