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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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sperrten eine weitere Tür auf, und im dunklen Zimmer zeichnete sich ein im ersten Morgengrauen hell werdendes Fenster ab, in das beim Anzünden der Lampe die Nacht hineinfiel. «Aber bitte leise, um Himmels willen leise, meine Herren » , bat Nelli und legte ihre Arbeiterhand mit den lackierten Nägeln flehend an den Hals; Kitty schob währenddessen vorsichtig das Sofa zur Seite, trat dahinter und warf ein rotes Seidentuch mit Fransen über die Stehlampe. «Zu Diensten, meine Liebe » , rief Jag in voller Lautstärke, woraufhin die Mädchen wie auf Kommando die Köpfe einzogen, gleichsam in Erwartung eines Schlages. «Wenn eure Lungen und die Sprungfedern des Sofas in gutem Zustand sind, dann gibt es keinen Lärm .» Und Jag stand da und lächelte, legte den Kopf in den Nacken und öffnete für alle weit die Arme. Aber nachdem wir uns endlich alle auf dem Sofa an einem Tischchen niedergelassen hatten und Jag als Erster einen Schluck vom moorwassertrüben Schnaps genommen hatte, da wurde ihm schlecht. Sein weißes Gesicht begann augenblicklich elend zu schwitzen, er schnaubte laut durch die Nase, dann stand er auf, ging, den Mund weit geöffnet, zum Fenster, legte sich mit der Brust aufs Fensterbrett und übergab sich mit bebendem Rücken. Auch mir war übel; ich schluckte in einem fort, aber sogleich lief mir wieder der Mund voll. Kitty saß da und hielt sich verschämt die Hände vors Gesicht, aber durch ihre kleinen Finger hindurch blickte ein lachendes schwarzes Auge zu mir herüber. Nelli hingegen sah zu Jag, die Mundwinkel verdächtig nach unten gezogen, und wackelte leicht mit dem Kopf, als hätten sich ihre Vorahnungen in Bezug auf uns gänzlich bestätigt.
    Jag kam höchst zufrieden vom Fenster zurück, wischte sich die Tränen und den Mund ab und ließ sich mit neuer Unternehmungslust zu uns aufs Sofa plumpsen. «Und jetzt ein Mal Rasieren, bitt’ schön » , sagte er. Den Arm um Nelli gelegt, versuchte er, sie an sich zu pressen. Jedes Mal, wenn sie mit der Hand sein Gesicht von sich stieß, wandte Jag ohne sie loszulassen den Kopf und sah zu mir herüber, und ich lächelte ihm aufmunternd zu, ganz so, als wollte ich ihn bei irgendeiner sehr spaßigen Sache anfeuern. Um Nelli endgültig an sich zu ziehen, beugte Jag sich immer weiter zu ihr hinüber, das Bein auf der Suche nach einem Halt hoch in die Luft gestreckt, bis er sich schließlich mit dem Fuß am Tisch abstützte und diesen kraftvoll von sich wegstieß.
    Nach diesem uns so sonderbar anmutenden Krach saßen wir einige Sekunden wie erstarrt da und lauschten laut atmend. Im hell gewordenen Fenster sah man Spatzen auf den Leitungen sitzen, was an Stacheldraht erinnerte. Entsetzlich vorsichtig, um dabei nicht den kleinsten Laut zu erzeugen, begann ich, das umgefallene Tischchen aufzurichten, ganz so, als ob die Stille, in der ich es hochhob, in irgendeiner Weise den Krach verringern könnte, den sein Fallen verursacht hatte. «Nun, hoffentlich …» , setzte Jag an, aber Nelli machte mit wildem Blick «Sch !» , während Kitty mahnend die Hand vorstreckte und sie lange in dieser Position beließ. Und wirklich, eben in diesem Moment ging irgendwo in der Wohnung leise eine Tür, dann hörte man ein Schlurfen, das näher kam und schließlich genau vor unserer Tür, deren Klinke sich nun langsam und drohend nach unten bewegte, verstummte. Zuerst blickte durch den Türspalt ein erschrockenes Auge ängstlich zu mir herüber, dann wurde die Tür weit und dreist aufgestoßen – und ins Zimmer schritt mit skandalöser Entschlossenheit ein Männerpyjama, dessen hochgeschlagener Kragen ein entzückendes Frauenköpfchen umrahmte. Die hohen Absätze der roten, an der Ferse offenen Schühchen klapperten schlurfend übers Parkett. «Soso » , sagte die Frau und sah Nelli und Kitty an, als gäbe es weder mich noch Jag im Zimmer, «wie ich sehe, seid ihr reizende Untermieter. Wird es jetzt jede Nacht bei euch so zugehen ?» Nelli und Kitty saßen nebeneinander auf dem Sofa. Nelli mit dem schiefen Hals blickte, Augen und Mund weit aufgerissen, blinzelnd ins Gesicht der Sprechenden. Kitty hielt den Kopf gesenkt, malte mit dem Finger Kreise auf ihre Knie, machte ein finsteres Gesicht und schürzte die Lippen wie zu einem Pfiff. Es war Jag, der alle erlöste, und das keineswegs, weil er gar so betrunken gewesen wäre, sondern weil er sich, indem er den gewaltig Betrunkenen spielte, gleichsam aus der Menge der Schuldigen ausschloss. Er breitete die Arme zu solch

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