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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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Grund hineinzugehen. Ich stieß die vierflüglige Karusselltür an, in deren Spiegelglas mit einem Zittern das Nachbarhaus hineinfuhr, betrat das Hotel und durchquerte die Eingangshalle. Aber im Café war es so leer und öde, und in den Gerüchen nach Zigarrenrauch, gestärkten Tischdecken, Sesselleder, Honig und Kaffee lag so viel von Reiseunruhe, dass ich, als mir klar wurde, dass ich hier nicht eine Minute würde sitzen können, so tat, als suchte ich jemanden, und wieder hinausging.
    Ich wusste nicht genau, wann in mir der Entschluss aufgekommen war, Sonja Blumen zu schicken. Ich merkte nur, dass dieser Entschluss immer größere Dimensionen annahm, je näher ich dem Blumengeschäft kam: Zuerst stellte ich mir vor, dass ich ihr ein Körbchen für zehn Rubel schicken würde, dann eines für zwanzig Rubel, dann für vierzig; und da mit zunehmender Blumenmenge auch Sonjas freudiges Staunen immer größer wurde, war ich kurz vor dem Geschäft schon fest davon überzeugt, die ganzen in meinem Besitz befindlichen hundert Rubel für Blumen ausgeben zu müssen. Ich passierte das Schaufenster des Blumengeschäfts, in dem sich die Blumen wellten wie verweinte Flecken, denn von innen lief Wasser an der Scheibe herab, und betrat den Laden. Während ich noch die duftende, klamme Dunkelheit einsog, fuhr ich plötzlich wie von einem schrecklichen Schlag getroffen innerlich zusammen: Sonja stand im Geschäft.
    Ich trug meine alte Mütze aus der Gymnasialzeit, mit ausgeblichenem Band und gesprungenem Schirm, dieselbe ungewaschene Uniformjacke wie gestern und eine abgetragene, an den Knien ausgebeulte Hose; meine Beine zitterten verdächtig, und ich begann abscheulich zu schwitzen, als stünde ich an einem Feuer. Weggehen konnte ich aber nicht – vor mir stand eine Verkäuferin und fragte: «Möchte Monsieur ein Körbchen oder einen Strauß ?» Sie hatte bereits mit der Hand auf ein Dutzend verschiedene Blumen gezeigt, die ich dem Aussehen nach kannte, deren Namen ich aber größtenteils nicht wusste, und zählte dann etwa ein Dutzend Namen von Blumen auf, von denen ich größtenteils nicht wusste, wie sie aussahen.
    Eben in diesem Moment wandte Sonja sich um und kam ruhig lächelnd auf mich zu. Sie trug ein graues Kostüm, an dem ein Bund Stoffveilchen stümperhaft angesteckt war, sodass das Revers Falten schlug, und Schuhe ohne Absätze; beim Laufen drehte sie die Fußspitzen nicht nach Frauenart nach außen. Erst als sie an mir vorbei zur Kasse ging, die sich hinter mir befand, wurde mir endlich klar, dass ihr Lächeln gar nicht mir galt, und insgesamt nicht dem, was sie sah, sondern dem, woran sie dachte. Im nächsten Moment hörte ich hinter meinem Rücken ihre Stimme, diese irgendwie besondere, leicht brüchige Stimme, die ich mir schon den ganzen Morgen nicht mehr hatte ins Gedächtnis rufen können; sie sagte zum Ladenburschen, der ihr die Tür aufhielt: «Bitte schicken Sie die Blumen sofort los, sonst geht der Herr noch aus dem Haus, und das wäre sehr ärgerlich. Danke .» Damit ging sie hinaus.
    Auf dem Weg nach Hause, als ich die ganze Zeit nach einem Fleckchen Ausschau hielt, wo ich die paar anstandshalber gekauften Nelken wegwerfen konnte, wusste ich schon, dass es mit Sonja für immer vorbei war.
    Natürlich verstand ich sehr gut, dass zwischen mir und Sonja entschieden noch nichts geschehen war; dass alles, was geschehen war, nicht mit ihr , sondern nur in mir selbst stattgefunden hatte ; dass Sonja offensichtlich von meinen Gefühlen nichts wissen konnte, dass ich sie ihr wohl auf irgendeine Weise würde vermitteln und bei ihr ebensolche würde wecken müssen. Aber ebendiese Erkenntnis, Sonjas Liebe erkämpfen zu müssen, einem Wesen, das mir nicht vertraute und mir also fremd war, meine Gefühle offenbaren und es von ihnen überzeugen zu müssen – all dies sagte mir mit vollkommener Aufrichtigkeit, dass mit Sonja alles vorbei war. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass in der Werbung um einen Menschen eine widerliche Lüge liegt, irgendein feindseliger Argwohn unter einem Zuckerguss aus Lächeln. Jetzt spürte ich das aber besonders scharf, und eine bittere Kränkung ließ mich vor der wirklichen Sonja zurückschrecken, beim bloßen Gedanken daran, dass ich mir ihre Liebe erkämpfen musste. So ganz konnte ich mir dieses komplizierte Gefühl nicht erklären, aber es schien mir, dass mich, sollte das Mädchen, das ich liebte, mich, einen ehrlichen Menschen, des Diebstahls verdächtigen, ein ebensolches Gefühl

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