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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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Geldes, das brauchte ich noch, sondern Jags. Weg konnte ich aber nicht, also nutzte ich irgendeinen von Jags abgedroschenen Witzen, um darüber in ein derart widerliches Lachen auszubrechen, dass ich mir dafür am liebsten mit dem größten Vergnügen selbst in die Visage geschlagen hätte, und steckte mir zugleich das Geld in die Tasche – ganz so, als hätte ich es gerade gestohlen.
    Zum Wodkatrinken gingen wir in ein Gasthaus der schäbigsten Sorte, dessen zutiefst russischer Name – «Orjol » 22 – in weißen Lettern auf einem grünlich-gelben Schild prangte. Ein Kellner brachte uns den Wodka in einer weißen Teekanne, und ich beobachtete jedes Mal voller Neid, wie Jag ihn aus einer Teetasse trank. Er goss sich den Wodka in den Rachen, ganz ohne zu schlucken, und sein Gesicht verzog sich dabei nicht im Geringsten, im Gegenteil, es wirkte immer so, als würde er von innen heraus erstrahlen.
    Ich konnte das nicht. Das nasse Brennen des Wodkas war mir äußerst zuwider, vor allem nach dem Schlucken, wenn der erste Atemzug, den flammenden Mund und die Kehle kühlend, einen widerlichen Spiritusgeschmack annahm. Ich trank Wodka, weil das Trinken zu einem schneidigen Benehmen dazugehörte, und weil ich – warum und wem auch immer – Stärke beweisen wollte: indem ich mehr trank als die anderen und dabei nüchterner blieb als sie. Zwar war auch mir bereits entsetzlich übel, und ich musste mir jede Bewegung erst befehlen, ehe ich sie mit äußerster Konzentration ausführen konnte, dennoch empfand ich es als angenehmen Triumph, als Jag, nachdem wir schon viele Kannen geleert hatten, nach einem Schluck aus seiner Tasse plötzlich die Augen schloss, bleich wurde und, den Kopf in die Hand gestützt, so zu atmen begann, dass er heftig hin und her schaukelte. Im Lokal brannte bereits Licht, Fliegen schwirrten im Kreis um die Lampen, und ein Apparat, auf dessen blauem Gitter hölzerne Leiern vibrierten, entließ unter größtem Kraftaufwand seine leblose Musik in den Raum.
    Schon spät, kurz vor der Schließung, verschlug es uns in ein modisches Café, wo uns aus den Spiegeln unsere unausgeschlafenen Gesichter entgegenblickten und wir über das Parkett schritten wie über ein schaukelndes Schiffsdeck: vornübergebeugt und schnell, wenn es sich unter unseren Füßen hob, zurückgebeugt und abbremsend, wenn es sich unter uns senkte. Beim Portier, der mit seiner Mischung aus Majestät und Devotheit an einen in Ungnade gefallenen Würdenträger erinnerte, kaufte Jag noch etwas Selbstgebrannten; außerdem vereinbarte er mit zwei Kellnerinnen eine gemeinsame Spazierfahrt, nach der wir zu ihnen nach Hause fahren wollten.
    Unten an der dunklen, hallenden Passage 23 , wo wir auf sie hatten warten müssen, machten wir uns noch einmal miteinander bekannt. Sie hießen Nelli und Kitty, aber Jag benannte sie kurzerhand in Nastjucha und Katjucha um und trieb uns alle mit einem väterlichen Klaps auf den Hintern dazu an, schnell einzusteigen und loszufahren. Bei Kitty konnte ich nur noch erkennen, dass sie klein und hager war und dass an ihren Wangen, wie Mäuseschwänzchen, kleine Locken klebten. Ich musste mit Nelli fahren, und die Fahrt war angenehm und luftig. Vereinzelte Passanten und Laternenreihen, gleichermaßen unbeweglich, traten erst beim Näherkommen aus der Reihe heraus und flogen vorbei. Nelli saß neben mir. Sie hatte einen sichtlich schiefen Hals, aber wenn sie lächelte und schräg von der Seite blickte, gelang es ihr manchmal, trotz dieser Missbildung kokett zu wirken. Und wahrscheinlich, weil in meinem Kopf elend der Wodka schwirrte und mich von der Notwendigkeit befreite, mir vorzustellen, was die Passanten von mir denken könnten, küsste ich sie. Sie hatte eine äußerst abstoßende Angewohnheit: Während ich meinen Mund auf ihre fest zusammengepressten, feuchtkalten Lippen drückte, stieß sie durch die Nase einen lang gezogenen M-Laut aus, wobei dieses «Mhm » einen immer höheren Ton annahm, bis es eine besonders hohe, piepsige Note erreicht hatte und sie sich meinen Armen entwand.
    An einem dunklen Tor, über dem im Licht einer unsichtbaren Laterne eine kerosingelbe Acht aus zwei kokett geöffneten, einander nicht berührenden Kreisen schimmerte, sprangen die Kutscher ab und forderten beleidigt-grimmig einen Zuschlag; dann nahmen Nelli und Kitty uns an der Hand, zogen uns eine dunkle Treppe hinauf und führten uns, nachdem sie lange am Schloss hantiert hatten, in den dunklen Flur einer fremden Wohnung. Sie

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