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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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dem Vorwand des Wegnehmens hatte ich vielmehr meine Freundschaft schenken, dem anderen einen kleinen Teil meiner Seele hingeben wollen. Auf die gleiche Weise verdroschen, streifte ich oft in diesen langen Moskauer Nächten umher, und wenn ich – je menschenleerer die Boulevards wurden und desto geringer die Ansprüche, die ich an das Aussehen der gesuchten Frau stellte – endlich eine mit allem einverstandene, armselige Nutte fand, da war ich, wenn wir zu dieser kalten, rosafarbenen Morgenstunde den Eingang des Hotels erreichten, schon abgekühlt und wollte nichts mehr von ihr; und wenn ich doch blieb und ein Zimmer nahm, dann tat ich das mehr aus dem Gefühl heraus, dieser Frau auf eine eigenartige Weise verpflichtet zu sein, denn um meines Vergnügens willen. Im Übrigen stimmt das vielleicht gar nicht, denn gerade in solchen Minuten kam in mir endlich das Gefühl ausgesprochener Sinnlichkeit auf, von dem ich angenommen hatte, es habe mich den ganzen Abend über geleitet.

2
    Es geschah bereits im August, als Jag, zurück aus Kasan, direkt vom Bahnhof zu mir kam: Er scheuchte mich aus dem Bett, hieß mich anziehen und schleppte mich mit. Unten wartete die Droschke, die allerdings – Jag hatte sie offensichtlich am Bahnhof genommen – keine von der besten Sorte war. Das Pferd machte einen jämmerlichen Eindruck und war zu klein für einen so hohen Einspänner auf Autoreifen; der Einspänner selbst hatte starke Schlagseite, an den Kotflügeln war der Lack aufgeplatzt, und aus ihren Fugen brach rötliche Fäulnis hervor. Jag trug einen hellgrauen Anzug mit runzligen Falten an den Ärmeln – wahrscheinlich vom Koffer – und einen weißen Panamahut 21 mit dreifarbigem Hutband; sein Gesicht war gelb, mit roten Flecken unter den Augen, wie von einer Brennnessel, und in den hellen Härchen der Brauen und in den Augenwinkeln hing der Schmutz der Eisenbahn. Ich starrte unentwegt auf die feuchten, schwarzen Rußkrümel in seinen Augenwinkeln und verspürte die krankhafte Versuchung, sie mit einem Taschentuch um den Finger herauszupulen. Aber Jag fasste meinen Blick anders auf. Während er immer wieder den Arm hob – wobei der Griff seines Spazierstocks, den er dort eingehängt hatte, herunterrutschte – , um die Krempe seines Panamas, die der Wind in Wellen nach oben bog, herunterzuziehen, lächelte er mich mit entzündeten Lippen an. «Immer noch derselbe Schönling » , rief er mir durch den Wind zu, «aber sehe ich da nicht » – hier wurde sein Panama wieder nach oben gebogen –, «sehe ich da nicht in deinen Augen die unsterbliche Schwermut des Mittellosen ?» Und er brummte irgendetwas in den Wind, wohl «Nimm’s mir nicht übel » oder etwas in der Art, rutschte, das Gesicht verziehend, tief in den Sitz, um leichter mit der Hand in die Hosentasche fahren zu können, und zog eine kleine Rolle Hundertrubelscheine hervor, aus der er einen Schein herausriss, zusammenknüllte und mir in die Hand stopfte. «Nimm’s ruhig !» , rief er böse und so grimmig, dass ein Ablehnen meinerseits unmöglich war. «Ist doch von einem Russen, du Dummkopf, nicht von irgendeinem Europäer .» Dann begann er gleich von Kasan und von seinem Vater zu sprechen, den er immer seinen «alten Herrn » nannte, und das Erzählen wurde plötzlich leicht, weil die Droschke, jetzt auf der Asphaltstraße, wie geschmiert lief – eine Empfindung, die im Widerspruch zum Klappern der Hufe stand, das so schnell geworden war, als ob das Pferd jeden Moment ausrutschen könnte.
    Mir war allerdings nicht wohl zumute. Diese hundert Rubel, an sich eine freudige Überraschung, machten mich Jag gegenüber – wie sehr ich mich innerlich auch dagegen sträuben mochte – in demütigender Weise gefügig. Mit übertriebener Aufmerksamkeit lauschte ich der uninteressanten Erzählung über seinen alten Herrn und machte ihm, da er wegen der Schlagseite immer wieder zu mir herüberrutschte, fürsorglich Platz; während ich gegen diese niederträchtige Fügung, die nicht meinem Willen entsprang, ja sogar gegen meinen Willen war, innerlich aufbegehrte und ihr zugleich erlag, spürte ich mit erniedrigender Klarheit, dass ich Stück für Stück meine unabhängige spöttische Haltung gegenüber Jag verlor – mein Gesicht also, jenes Ich, dem er eigentlich das Geld gegeben hatte. Außerdem spürte ich, dass dieses wahre Ich irgendwo schrecklich nah bei mir war und dass ich es augenblicklich zurückholen könnte, sobald ich mich seiner entledigt hätte – nicht des

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