Roman
Schließlich hatte die Spargelsaison gerade begonnen. Wenn sie sich jetzt sofort auf ihr Fahrrad schwang und zum Markt radelte, würde sie noch alle Zutaten für ein leckeres Abendessen bekommen.
2
Vier Kilo Spargel lagen fertig geschält auf der Arbeitsfläche in der Küche. Kristina kramte das Vakuumgerät aus dem Küchenschrank hervor und suchte die dazugehörigen Beutel. Sie wollte den Spargel auf besondere Weise zubereiten. Dazu bestreute sie die geschälten Stangen mit etwas Fleur de Sel und packte je acht mit einem Stückchen Butter in einen Plastikbeutel. Danach legte sie die offene Seite in die kleine Maschine, die mit lautem Brummen die Luft aus dem Beutel saugte und ihn dabei zuschweißte. Den Spargel auf diese Art zuzubereiten, hatte sie in der Kochschule eines Sternekochs gelernt. Der eintägige Kochkurs war das letzte Geburtstagsgeschenk von Peter gewesen. Kurz darauf hatten sie sich getrennt.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie die Beutel schon in den auf etwa 95 Grad vorgeheizten Ofen legen konnte. Hier würde der Spargel eine Stunde lang statt im Wasser im eigenen Saft garen und dadurch sein Aroma vollständig erhalten. Kristina freute sich auf das Essen im Kreise ihrer Familie. Sie würde den Spargel bissfest servieren, dazu ein selbstgemachtes Pesto aus Basilikum, Rucola, Petersilie, Parmesan und Pinienkernen, außerdem feinen Schinken, alten Parmesan und guten Weißwein. Zum Nachtisch hatte sie sich für Erdbeeren mit Sahne entschieden. Die Erdbeeren lagen bereits gewaschen und geschnitten in einer Marinade.
Routiniert deckte Kristina den Tisch für fünf Personen, plazierte Stoffservietten neben dem Besteck und stellte bunte Teelichter dazu. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Dann zog sie sich nach oben in ihr Reich zurück, um eine ausgiebige Dusche zu nehmen.
Wegen der sommerlichen Temperaturen wählte sie ein leichtes Sommerkleid mit rundem Ausschnitt, das ihr Dekolleté so hübsch zur Geltung brachte. Sie schlüpfte in die kleinen offenen Pumps und legte ein dezentes Make-up auf. Während sie tagsüber für ihre Arbeit ein legeres Outfit bevorzugte, auf Schmuck verzichtete und flache Schuhe trug, bot ein Abend wie dieser die seltene Ausnahme von der Regel. Kristina löste das Haargummi und schüttelte ihr schulterlanges Haar. Heute Abend würde sie es offen tragen. Dann suchte sie in ihrer Schmuckschatulle nach den großen Ohrringen und steckte den Ring mit dem Bergkristall an. Ein Spritzer Parfüm, sie war fertig.
Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel. Du hast dich eigentlich gut gehalten, lobte sie sich selbst im Stillen. Die feinen Linien um Augen, Nase und Mund verrieten zwar, dass sie keine 30 mehr war. Und da gab es diese tiefe Falte zwischen den Brauen über der Nase, die sie manchmal etwas grimmig dreinschauen ließ. Trotz allem gefiel ihr, was sie da im Spiegel sah. Im Gegensatz zu Rita störten sie die ersten verräterischen Fältchen nicht.
Noch nicht. Wer weiß?, dachte sie sich und ließ ihren Blick nach unten gleiten. Ihr Dekolleté war auch noch in Ordnung – wobei sie die beiden länglichen Falten zwischen ihren Brüsten entdeckte, die ein Hinweis auf ihre Schlafhaltung waren. Vor kurzem erst hatte Rita sie darauf aufmerksam gemacht. Sie hatte ihr dazu geraten, mehr auf dem Rücken statt auf der Seite zu liegen, da ihr Busen in der Seitenlage die Haut dazwischen zusammenquetschen würde. Es war Kristina völlig schleierhaft, wie sie im Schlaf darauf achten sollte, sich nicht auf die Seite zu rollen. Jeden Abend versuchte sie, auf dem Rücken einzuschlafen, doch jeden Morgen erwachte sie in Seitenlage mit den verräterischen Falten zwischen den Brüsten.
Rita entging nichts. Sie schenkte Kristina ein spezielles Dekolleté-Kissen, das wie eine Art BH aussah und genauso zu tragen war, bei dem jedoch die Körbchen fehlten. Dafür verfügte es über ein wattiertes Zwischenteil, das zwischen den Brüsten plaziert werden musste. Kristina hatte sich zunächst jedoch geweigert, das Teil anzulegen. „Das schaut doch völlig pervers aus“, hatte sie zu Rita gesagt. „Damit könnte ich in jeder Peepshow auftreten.“
„Aber es wirkt“, hatte Rita widersprochen. „Du wirst schon sehen.“
Nach einigen Nächten mit der wattierten Einlage, die die Brüste voneinander trennte, hatten sie zusammen das Ergebnis beäugt. Und Kristina hatte ihrer Freundin recht geben müssen. Die Falten waren weg gewesen.
„Blöd nur, dass es so was nicht fürs Gesicht gibt“,
Weitere Kostenlose Bücher