Roman
Kristina zu ihm kam. „Eine Frau natürlich. Was denn sonst?“
„Was denn sonst?“, äffte sie ihn nach. „Wer ist sie? Kenn ich sie? Wann stellst du sie uns vor?“
Ihr Vater lächelte nachsichtig. „Du kennst sie nicht. Ihr Name ist Charlotte. Ihr werdet sie zu gegebener Zeit kennenlernen. Und ein polizeiliches Führungszeugnis samt DNA-Profil reiche ich nach.“ Er betrat sein Wohnzimmer und ließ die Tür offen, was Kristina als Einladung verstand, hereinzukommen. Während er nun seine Manschettenknöpfe und die Krawatte ablegte, ließ sie sich auf der Couch nieder. So leicht würde er heute nicht davonkommen.
„Warum versteckst du sie vor mir?“, wollte sie wissen.
„Das tu ich gar nicht“, widersprach ihr Vater. „Aber in meinem Alter überstürzt man solche Dinge nicht mehr, auch wenn die verbleibende Zeit mit jedem Tag kostbarer wird. Außerdem ist Charlotte ziemlich oft auf Reisen.“
„Du könntest sie ja einfach mal mitbringen“, schlug Kristina vor. „Ich koche was Schönes und lade Philipp und Sophie dazu ein.“
„Nett von dir, aber du musst dich noch etwas gedulden. Wenn es dich beruhigt, kann ich dir eins schon mal verraten: Es geht mir hervorragend, so gut wie lange nicht mehr.“
„Man sieht’s.“
Er setzte sich zu seiner Tochter auf das Sofa und tätschelte ihre Hand. „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin kein alter Trottel auf Freiersfüßen. Und Charlotte ist keine Heiratsschwindlerin, die mich ausnehmen will. Es ist alles in bester Ordnung. Aber dass es mich in meinem Alter noch einmal so erwischen würde, nach deiner Mutter, das verblüfft mich schon“, sagte er mit einem seligen Lächeln auf den Lippen.
Kristina musterte ihn misstrauisch.
„Sieh mich nicht so an“, beschwerte er sich. „Außerdem könnte es dir nicht schaden, auch mal wieder mit einem Mann auszugehen. Du wirst schließlich nicht jünger.“
„Sehr charmant.“
Er schlüpfte aus seinen Schuhen und streckte die Beine aus. „Als deine Mutter gestorben ist, dachte ich, mein Leben wäre zu Ende. Alles erschien mir so sinnlos, ich fühlte mich furchtbar verlassen und allein.“
„Aber du hattest doch mich und die Kinder“, wandte Kristina ein.
„Ja, zum Glück. Trotzdem ist das nicht das Gleiche“, fuhr Klaus fort. „Wir haben eine gute Ehe geführt, deine Mutter und ich. Sie fehlt mir immer noch. Doch inzwischen habe ich die Trauer überwunden. Auch mit deiner Hilfe.“ Er lächelte sie an. „Und im letzten Drittel meines Lebens – oder vielleicht im letzten Viertel – möchte ich nicht bloß auf den Tod warten. Ich will leben. Findest du das unangemessen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich sollst du dein Leben genießen, mit allem, was dazugehört. Aber du musst verstehen, dass ich mir Sorgen mache. Du bist wie ausgewechselt.“
„Das stimmt. Das Leben hat mich wieder, und ich werde es auskosten, so gut ich kann. Wer weiß, wie viel Zeit mir dafür noch bleibt?“
„Fehlt dir etwas?“, fragte Kristina entsetzt.
„Im Gegenteil. Mir ging es noch nie so gut. Ich fühle mich total jung, und meine Werte sind eins a. Aber genug von mir. Was ist mit dir? Wie lange willst du noch alleine durchs Leben gehen? Du gehst stramm auf die 50 zu, wenn ich mich recht entsinne, oder?“
Kristina verzog das Gesicht. „Mach aber mal ’nen Punkt.“
„Tut mir leid, dass ich dir das so deutlich sagen muss. Ich darf das, ich bin dein Vater. Du solltest dich nach einem neuen Mann umsehen. Peter gehört der Vergangenheit an. Der kommt nicht mehr zurück.“
„Darauf könnte ich auch wirklich verzichten. Peter wird übrigens noch einmal Vater.“
Ihr Vater zog die Brauen hoch. „Aha! Siehst du, wozu wir Männer fähig sind? Wenn du dir Mühe gibst, dann findest du bestimmt noch einen interessanten Mann. Soll ich dich mal mit Horst bekannt machen?“
„Mit welchem Horst?“
„Aus meinem Schachklub.“
„Papa! Der ist doch schon 69.“
Er sah sie irritiert an. „Horst ist ein Mann im besten Alter. Jüngere Männer kommen ja wohl kaum in Frage“, erklärte er im Brustton der Überzeugung.
„Da häng ich ja lieber tot überm Zaun!“ Sie sprang von der Couch auf. „Ich will morgens nicht neben Catweazle aufwachen. Du ja auch nicht. Wie alt ist denn deine Charlotte? Jünger als du, vermute ich mal.“
„Man fragt eine Dame nicht nach ihrem Alter“, gab er lapidar zurück. „Aber selbstverständlich ist sie jünger als ich. Alt bin ich ja selber.“ Er kicherte
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