Roman
Oberarms, „und sich hier eine Wulst über die Hüften legt …“ Dabei griff sie sich an die Taille. „… und wenn sich hier Hamsterbäckchen bilden und die Schwerkraft die Mundwinkel nach unten zieht …“ Dabei zeigte sie auf die Stellen rechts und links von ihrem Kinn. „… dann können wir Frauen einpacken. Kein Mann, nicht einmal mehr Jopi, würde sich noch für uns interessieren. Dann beginnt die Zeit, in der wir Frauen unsichtbar werden. Jawohl, unsichtbar.“ Kristinas Stimme überschlug sich fast.
Erneut rammte Rita ihr den Ellbogen in die Seite, um sie zu bremsen. „Komm, wir gehen“, forderte sie sie auf, doch Kristina ignorierte sie.
„Sie übertreiben“, meinte Ben, „die Schwerkraft hat bei Ihnen doch keinerlei Wirkung. Und übrigens, ich heiße Ben.“
„Weiß ich doch, Ken“, lallte Kristina, strich sich durchs Haar und leckte sich die Lippen.
Ohne Erfolg versuchte Rita, sie zu bändigen. Anscheinend hatte Kristina sich in den Kopf gesetzt, Ben zu verführen.
„Krrrisdina, du machst dich hierr zum Kaschber“, raunte Rita ihr ins Ohr.
Doch diese winkte nur ab. „Ich amüsiere mich prächtig.“
Als Ben Ritas Dialekt bemerkte, sagte er zu ihr: „Allmächd, eine Frängin! Wemmä frängisch redn koo, dann waas mer a, wos gemannt is’.“
Das gab Rita den Rest. „Da liegen Sie völlig daneben“, säuselte sie durch die Nase und bestellte die Rechnung. Dann befahl sie Kristina: „Wir gehen. Sofort!“
Nachdem sie die Drinks bezahlt hatte, ergriff sie Kristinas Arm und wollte sie mit sich ziehen. Doch Kristina schob sie beiseite und zupfte Ben am Ärmel, der sich hilfesuchend umsah. Und plötzlich strahlte er übers ganze Gesicht. Ein junger Mann, erheblich jünger als Ben, näherte sich zielsicher der Bar, umarmte ihn und küsste ihn auf den Mund.
„Billy, Sweetheart“, hauchte Ben hingerissen, „endlich.“
„Wer ist der denn?“, fragte Kristina, die schon gefährlich wankte.
„Deine Mutter?“, erkundigte sich der Neuankömmling bei Ben.
„Mutter?“, wiederholte Kristina schrill. Sie wäre fast vom Hocker gekippt, wenn Rita sie nicht rechtzeitig aufgefangen hätte. Dann starrte sie zuerst Ben, anschließend den anderen Mann an und fragte entsetzt: „Du bist … äh … Er ist dein …?“
„Sorry“, unterbrach Ben sie. „Aber Sie waren so in Fahrt. Das ist Billy, mein Freund.“
„Ihr Freund ist ein Regal?“, lallte Kristina.
Nun hatte Rita endgültig genug. Sie packte Kristina entschlossen am Arm und zerrte sie in Richtung Ausgang. Mit schwankenden Schritten wie auf dem Oberdeck eines Schiffes in schwerer See verließ Kristina die Bar. Rita winkte ein Taxi heran und wies den Fahrer an, sie zu Kristinas Haus zu bringen.
„Deine Mutter, hat er gefragt“, sagte Kristina empört. „Jetzt ist es so weit, ich zähle wirklich zum alten Eisen.“
„Der Sefdl“, widersprach Rita energisch.
Rita brachte Kristina nach Hause und verfrachtete sie ins Bett. Kristina wehrte sich nicht mehr. Zwei Long Island Iced Tea hatten ihr den Rest gegeben.
„Wo ist Jopi? Ich brauche ihn jetzt“, meinte sie und suchte nach dem Kissen, das Rita ihr geschenkt hatte. „Jopi, da bist du ja endlich.“ Damit klemmte sie das Kissen zwischen ihre Beine und schlief augenblicklich leise schnarchend ein.
23
Nach zwei Wochen gab Tom auf und beschloss, Kristina in Ruhe zu lassen. All seine Bemühungen, mit ihr zu sprechen, waren gescheitert. Rita hatte jeden seiner Kontaktversuche rigoros abgewürgt. Er bezweifelte, dass Kristina ein einziges Fax oder einen seiner Briefe gelesen hatte. Denn dann hätte sie sich bestimmt gemeldet. Er verstand die Welt nicht mehr. Warum wollte sie ihn plötzlich nicht mehr sehen? Er zermarterte sich das Hirn, suchte nach einer Erklärung. War auf der Geburtstagsparty etwas geschehen? Hatte er etwas Falsches gesagt oder getan? Zum x-ten Mal ließ er die letzten Tage mit Kristina Revue passieren, doch er fand keinen plausiblen Grund für ihr Verhalten. An seinem Geburtstag hatte er ihr gestanden, dass er sie liebte, und das war sein voller Ernst gewesen. Und jetzt das. Vielleicht war er zu schnell vorgeprescht? Aber erklärte das Kristinas plötzlichen Rückzug? Warum sprach sie nicht mit ihm? Warum sagte sie ihm nicht ins Gesicht, dass es vorbei war – aus welchen Gründen auch immer? Wie nur sollte er Kristina erreichen?
„Honey, worüber denkst du so angestrengt nach? Es wird ja alles ganz kalt.“
Tom sah auf. „Sorry, Schwesterchen.“
Weitere Kostenlose Bücher