Romana Exklusiv 0172
zusammenzuleben, behagte ihr nicht. Vielleicht konnte er wirklich kein richtiger Ehemann mehr sein, wie er es ausgedrückt hatte, aber er war immer noch der Mann, den sie geliebt hatte. Obwohl ihre Liebe vergangen war, ließen sich die Erinnerungen nicht auslöschen.
„Du schaffst es nicht, mich in die Flucht zu schlagen, Ruy“, entgegnete sie ruhig. „Egal, was du tust, ich bleibe Jamie zuliebe hier.“
Dann wurde eine der Hausangestellten beauftragt, ein Zimmer für Jamie herzurichten. Davina spürte, wie die junge Frau sie beobachtete, während Ruy mit ihr sprach. Rosita warf Davina einen mitleidigen Blick zu, ehe sie und Sebastián sich zurückzogen.
„Meine arme, ängstliche Schwägerin“, spottete Ruy. Rositas Blick war ihm nicht entgangen. „Sie hat Mitleid mit dir. Doch du hast nichts zu befürchten – es sei denn, du hast Angst vor der scharfen Zunge eines Mannes, der die bittere Erfahrung gemacht hat, dass der Honig, den er einst gekostet hat, auf seinen Lippen zu Säure wurde. Ich hoffe, du verstehst, was ich damit sagen will.“
„Dann vergiss nicht, dass Säure ätzt und zerstört“, antwortete sie kühl. Das Herz schlug ihr vor Angst jedoch bis zum Hals.
„Ich habe auch einen Wagen zum Schieben“, erzählte Jamie in dem Moment seinem Vater. „Mummy schiebt mich, wenn ich müde bin. Wer schiebt dich?“
„Das mache ich selbst“, erwiderte Ruy kurz angebunden. Dann zeigte er zu Davinas Überraschung seinem Sohn, wie sich der Rollstuhl lenken ließ. Sie sah ihre Schwiegermutter an, die sich mit Tränen in den Augen abwandte.
Was würde ich empfinden, wenn mein Kind auf den Rollstuhl angewiesen wäre?, überlegte sie. Das Herz verkrampfte sich ihr bei dem Gedanken, und zum ersten Mal hatte sie Mitleid mit der älteren Dame. Davina blickte wieder ihren Mann an. Er hatte Jamie auf den Schoß genommen, und der Kleine probierte mit ernster Miene aus, wie der Rollstuhl funktionierte.
„Er ist das Ebenbild seines Vaters“, stellte die Condesa ruhig fest. Sie sah plötzlich sehr alt aus, und Davina musste sich geradezu zwingen, nicht zu vergessen, wie kühl Ruys Mutter sie begrüßt hatte, als er sie als seine Braut vorgestellt hatte. Damals hatte sie mit so viel Feindseligkeit, auf die sie gar nicht gefasst gewesen war, nicht umgehen können. Auch mit ihrer Liebe zu Ruy hatte sie nicht umgehen können. Es war alles viel zu schnell gegangen. Sie hatte sich in Ruy verliebt, ohne ihn gut genug zu kennen. Und er hatte sie geheiratet, weil … Ja, warum? Aus Rache? Um jemanden damit zu bestrafen? Davina erbebte. Wie hart und grausam musste ein Mann sein, der die Frau, die er liebte, wegen einer dummen Kleinigkeit sitzen ließ und eine andere heiratete? Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte sie geglaubt, er sei der liebste, netteste Mensch – und der attraktivste Mann.
Das war in Córdoba gewesen. Mit Freundinnen hatte Davina dort ihren Urlaub verbracht. Die anderen jungen Frauen wollten nur in der Sonne liegen und mit den dunkelhaarigen Spaniern flirten. Die jungen Männer wiederum waren von den hübschen Frauen mit dem hellen Haar und der hellen Haut begeistert. Davina jedoch hatte sich für die Kultur und die Geschichte des Landes interessiert.
Von einem Mann wie Ruy hatte sie schon immer geträumt. Er war ihr vorgekommen wie ein Held, als er aus dem Nichts auftauchte, um sie vor einer Gruppe Jugendlicher zu retten. Die Jungen hatten sie verfolgt, nachdem sie aus einer Moschee herausgekommen war. Ruy griff ein, und sie liefen in alle Richtungen davon. Sie war ihm sehr dankbar und nahm seine Einladung zu einem Kaffee gern an. Er war wegen des jährlich stattfindenden Stierkampfs in Córdoba. Sie erfuhr, dass seine Familie eine Hacienda besaß und Stiere züchtete.
Davina hörte ihm fasziniert zu und geriet schon bald in den Bann dieses charismatischen Mannes. Er sprach perfekt Englisch, aber es klang bei ihm ähnlich weich wie seine eigene Sprache.
Ohne zu zögern, willigte sie ein, als er vorschlug, ihn zu einer original Flamenco-Show zu begleiten. Während des fulminanten, ungemein erotisch wirkenden Finales bekam Davina Herzklopfen vor Erregung. Ihr war nicht bewusst, dass sich ihre Gefühle in ihrem Gesicht spiegelten. Ruy spürte natürlich, was los war. Mit seinen neunundzwanzig Jahren hatte er genug Erfahrung mit Frauen, er begriff sogleich, dass Davina noch völlig unschuldig war.
Als Ruy ihr nach einer Woche einen Heiratsantrag machte, war sie sprachlos. Ihr wurde ganz
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