Romana Exklusiv 0186
begrüßen.“
„Cassandra …“
Es klang so gequält, dass Cassandra zögerte. Wie leicht wäre es, nachzugeben und zu ihm zu gehen. Sie tat es jedoch nicht.
14. KAPITEL
„Wann kommt David eigentlich nach Hause?“, fragte Henry Skyler, Cassandras Chef und Inhaber der Buchhandlung.
„Am Ende der Sommerferien“, erwiderte sie betont gleichgültig.
„Du vermisst ihn sicher sehr“, sagte Henry. „Ich hätte meinen Sohn bestimmt nicht drei Monate bei fremden Leuten gelassen.“
„Zehn Wochen, um genau zu sein“, korrigierte Cassandra ihn kurz angebunden. Es gab keine Garantie dafür, dass David wirklich zurückkam. Bis jetzt hatte er sie ein einziges Mal angerufen, und das war schon zwei Wochen her.
„Trotzdem …“
„Henry, es sind doch keine fremden Leute, sondern Verwandte des Jungen“, unterbrach sie ihn und wünschte sich verzweifelt, er würde das Thema beenden. „Wohin soll ich diese Bücher hier stellen? Zu den neuen Science-Fiction-Romanen?“
„Ja“, antwortete ihr Chef zerstreut. „Hast du denn keine Angst, er könnte in Spanien bleiben?“
Cassandra seufzte. „David wollte die Ferien dort verbringen. Sein Großvater war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, und die beiden brauchen mehr Zeit, um sich besser kennenzulernen. Schwierig war nur, David für einige Wochen vom Schulunterricht zu befreien.“
Seit wann kann ich so gut lügen?, fragte sie sich. Natürlich war es für sie ein großes Problem gewesen, ohne ihren Sohn nach Hause zu fliegen.
„Wenn du es sagst.“ Henry schien zu begreifen, dass sie nicht über ihre Schwiegereltern reden wollte. „Der Junge hat Glück. Ich würde mich auch freuen, wenn ich reiche Großeltern hätte.“
Cassandra rang sich ein Lächeln ab, und zu ihrer Erleichterung ließ er sie weiterarbeiten. Sie war sich jedoch sicher, dass das Thema für ihn noch längst nicht erledigt war. Henry gegenüber hatte sie behauptet, ihr Sohn sei genauso überrascht gewesen wie sie selbst, als sie zufällig dem Bruder ihres verstorbenen Mannes begegnet seien. Mehr würde ihr Chef nicht erfahren.
Schließlich kamen Kunden herein, und Cassandra verdrängte die beunruhigenden Gedanken.
Aber ich hatte ja kaum eine andere Wahl, als David zu erlauben, noch länger bei seinem Großvater zu bleiben, überlegte sie später. Wenn sie David gezwungen hätte, mit ihr nach Hause zurückzufliegen, wäre er unglücklich gewesen. Außerdem hätten Enrique oder sein Vater wahrscheinlich versucht, einen Gerichtsbeschluss hinsichtlich des Besuchsrechts zu erwirken. Und so weit hatte sie es nicht kommen lassen wollen.
Nein, sie hatte die richtige Entscheidung getroffen, auch wenn es ihr schwergefallen war.
An dem Nachmittag vor beinah drei Wochen war sie mit gemischten Gefühlen zu ihrem Schwiegervater gegangen. Sie hatte damit gerechnet, er würde sie feindselig behandeln. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich darauf freute, sie zu sehen. Doch Julio hieß sie herzlich willkommen, er redete ruhig und vernünftig mit ihr und zeigte Verständnis dafür, dass sie ihnen Davids Existenz verschwiegen hatte.
In dem beeindruckend großen Wohnzimmer hatten sich alle Familienmitglieder versammelt, und Cassandra fühlte sich eingeschüchtert. Natürlich war auch David da. Doch von ihm konnte sie sowieso keine Hilfe erwarten.
Elena de Montoya stand neben dem Rollstuhl ihres Mannes. Ihre Miene wirkte so undurchdringlich wie immer. Auch Enrique war anwesend. Er hatte sich an das schmiedeeiserne Gitter des Fensters gelehnt und beobachtete Cassandra aus zusammengekniffenen Augen.
Julio war nur noch ein Schatten seiner selbst. Auf Antonios Beerdigung hatte er so stark, kraftvoll und sehr dominant gewirkt. Sie hatte sich damals gewundert, dass Antonio überhaupt gewagt hatte, sich ihm zu widersetzen. Jetzt sah er älter und sehr gebrechlich aus.
„Cassandra“, sagte Julio langsam und deutlich. „Danke, dass du gekommen bist.“
Am liebsten hätte sie geantwortet, sie habe ja keine andere Wahl gehabt. Stattdessen zuckte sie die Schultern und erwiderte höflich: „Ich hoffe, es geht Ihnen besser, Señor.“
„Die Neuigkeiten, die mein Sohn mir mitgeteilt hat, werden mir helfen, mich rasch zu erholen.“ Mit einer Handbewegung forderte er David auf, sich neben ihn zu stellen. „Dieser Junge ist meine Rettung und meine ganze Hoffnung.“ Er nahm Davids Hand. „Das stimmt doch, David, oder?“
Der Junge lächelte und blickte dann seine Mutter unsicher an.
„Ja,
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