Romana Exklusiv 0186
mache ich, wenn es Enrique ist?, schoss es ihr durch den Kopf, während sie das Wechselgeld herausgab.
„Ein schöner Wagen“, sagte in dem Moment Henry und blickte hinaus.
Cassandra tat so, als interessierte sie die Limousine nicht. „Kann ich jetzt Mittag machen?“, fragte sie.
„Da steigt jemand aus“, stellte Henry fest und ignorierte ihre Frage.
„Henry! Sei nicht so neugierig. Was ist mit …“
„Er kommt herein“, unterbrach Henry sie. „Kennst du ihn wirklich nicht, Cass?“
Cassandra hob den Kopf. Henry hatte recht, ein dunkelhaariger Mann betrat die Buchhandlung. Aber es war nicht Enrique, wie sie insgeheim gehofft hatte, sondern Salvador, der Chauffeur seines Vaters.
„Señora“, begrüßte er Cassandra. „Bitte, Señora, Señor de Montoya möchte mit Ihnen sprechen.“
Sie war schockiert und brachte sekundenlang kein Wort heraus. „Enrique de Montoya?“, fragte sie schließlich.
„Nein, Señor Julio“, antwortete Salvador. „Kommen Sie bitte, er wartet im Auto.“
Ihr würde übel. Sie hatte wirklich gehofft, Enrique sei gekommen. Aber er hatte ja jetzt seinen Sohn, von dem er all die Jahre nichts gewusst hatte, und brauchte sie nicht mehr.
Ich kann mir denken, warum Julio de Montoya hier ist, sagte sie sich dann. Drei Wochen hatte sie Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen, ohne David zu leben. Jetzt würde Julio erklären, David sei glücklich bei ihnen, und sie könnten ihm viel mehr bieten als sie. Er würde ihr vorschlagen, den Jungen in Spanien aufwachsen zu lassen.
„Geh schon, Cass“, forderte Henry sie auf. „Ich komme zwei Stunden ohne dich aus.“
Zwei Stunden? Normalerweise konnte sie nur eine halbe Stunde Pause machen.
„Cassandra!“, ertönte in dem Moment Julios Stimme. Er stand an der Tür. „Wir müssen uns unterhalten.“
„So?“, erwiderte sie unbehaglich.
„Ja“, antwortete er. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er sich auf einen Stock stützte. „Kommst du?“
Cassandra folgte ihm schließlich. Enrique überließ es offenbar seinem Vater, mit ihr über Davids Zukunft zu reden.
Sie setzte sich neben Julio de Montoya auf den Rücksitz und konnte nur noch daran denken, wie freudlos ihr Leben ohne David sein würde.
„Fahren Sie bitte, Salvador“, forderte Julio seinen Chauffeur auf. „Arbeitest du schon lange in der Buchhandlung?“, fügte er an Cassandra gewandt hinzu.
„Seit sieben Jahren“, erwiderte sie und wünschte, er würde ihr endlich verraten, worum es ging. Er interessierte sich bestimmt nicht für ihr Leben und ihre Arbeit. „Wohin fahren wir?“
„Zu dem Hotel, in dem ich immer übernachte, wenn ich in London bin.“
Sie presste die Lippen zusammen. Dann würde es wohl ein längeres Gespräch werden. „Muss das sein? Warum können Sie mir nicht hier und jetzt ehrlich sagen, was los ist?“ Sie war auf das Schlimmste gefasst.
„Befürchtest du, ich hätte schlechte Nachrichten?“
Cassandra schluckte. „Stimmt es etwa nicht?“
Julio blickte sie bekümmert an. „Elena hat dich angerufen“, stellte er fest. „Sie hatte mir versprochen, es nicht zu tun. Ich hätte es mir jedoch denken …“
„Nein, sie hat mich nicht angerufen“, unterbrach sie ihn.
„Hat sie dich nicht gewarnt?“
„Wie bitte?“ Cassandra sah ihn verständnislos an. „Wovor hätte sie mich warnen sollen? Soll ich Sie rücksichtsvoll behandeln, wenn Sie mir erklären, David solle in Spanien bleiben? Oder soll ich es einfach hinnehmen, dass Sie vorhaben, sich meinen Sohn anzueignen?“
„Denkst du, ich sei wegen David hier?“ Julio war bestürzt.
„Stimmt es denn nicht?“ Plötzlich stieg Angst in ihr auf. Es musste etwas Schlimmes passiert sein, sonst hätte er nicht wenige Wochen nach der schweren Operation eine so weite Reise unternommen. Und wenn es nicht um seinen Enkel ging, um wen dann? Etwa um seinen Sohn? O nein, hoffentlich nicht, schoss es ihr durch den Kopf.
„Es muss etwas mit David zu tun haben“, erklärte sie, obwohl sie davon nicht mehr überzeugt war.
Julio schüttelte den Kopf. „Lass uns warten, bis wir im Hotel sind“, bat er sie mit einem Blick auf seinen Chauffeur.
Cassandra begriff, dass er Familienangelegenheiten nicht vor seinen Angestellten besprechen wollte. „Geht es um David?“, fragte sie trotzdem. „Sagen Sie es mir bitte. Ich brauche sowieso etwas Zeit, um zu überlegen, wie ich mich wehren soll.“
„Wehren?“, wiederholte er spöttisch. „O, Cassandra, du bist so kühl und misstrauisch.
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