Romana Exklusiv 0187
selbst können keinen akzeptieren“, beschwerte sie sich.
„Ach, das war ein guter Rat?“, erkundigte er sich mit geheucheltem Interesse. „Sind Sie denn schon so alt und weise, Bridget? Verfügen Sie über so viel Lebenserfahrung, dass Sie mir Ratschläge erteilen können?“
„Jedenfalls bin ich nicht so abgestumpft wie Sie, obwohl Sie das ja wohl für eine Tugend halten. Aber …“
„Vergessen Sie es“, befahl er und ging ins Haus.
Wütend blieb Bridget zurück. Diesmal war allerdings nicht sein Zynismus schuld an ihrem Zorn, sondern Jordans unerschütterlicher Glaube, auf der ganzen Welt könnte nur er allein, ohne Hilfe, Unterstützung oder den Rat anderer existieren. Diese Überzeugung machte ihn unerreichbar und isolierte ihn von seinen Mitmenschen.
3. KAPITEL
Jordan führte Bridget an diesem Morgen durch Delhi. Das alte Delhi glich einem Labyrinth aus Moscheen, Tempeln, Monumenten und Basaren, die neue Stadt hingegen war ein elegantes grünes Paradies mit breiten, kühlen Alleen und stillen Arkaden.
Sie wanderten von Purana Qila, einer alten Befestigungsanlage der Mogule, zum Präsidentenpalast, und später besichtigte Jordan mit ihr das Rote Fort. Dank seiner ausgezeichneten Geschichtskenntnisse erstanden vor ihrem geistigen Auge die Prachtentfaltung des Großen Moguls und majestätische, von livrierten Treibern gelenkte Elefanten mit kunstvoll verzierten Gestellen, auf denen die Fürsten thronten. Er zeigte ihr Indiens größte Moschee Jama Masjid, ein architektonisches Meisterwerk aus rotem Sandstein und weißem Marmor, und danach, sozusagen als Kontrastprogramm, einen modernen Hindutempel in leuchtendem Rot und Gelb, in dem die drei Hauptgottheiten dargestellt waren.
Bridget war fasziniert von der Vielfalt der Religionen und Kulturen, die im Lauf der Jahrhunderte das Land beherrscht hatten. Delhi zog Männer und Frauen aus allen Teilen des Landes an: orthodoxe Brahmanen, Moslems, Sikhs, Christen, Buddhisten und Parsen.
„Eine Stadt wird von ihren Bewohnern geprägt, oder?“, überlegte sie laut, als sie vor dem imposanten Parlamentsgebäude und den angrenzenden Verwaltungstrakten standen.
Jordans Miene war undurchdringlich. „Sie mögen Menschen wirklich.“
„Aus Ihrem Mund klingt das, als wäre es verrückt.“ Sie ärgerte sich ein wenig über seinen herablassenden Tonfall. „Die meisten Menschen sind liebenswert.“
Statt zu antworten, zuckte er nur kurz die Schultern. Offenbar war ihm die Diskussion lästig – ebenso wie Bridgets Gesellschaft. Ein Mann wie er war Begleiterinnen gewöhnt, die so kultiviert waren wie er, die seine Ansichten teilten und ungeachtet seines Zynismus über jedes Thema plaudern konnten, das er anschnitt.
„Warum sehen Sie mich so an? Ich habe Sie gewarnt, sich in Bezug auf mich keine Hoffnungen zu machen, Bridget! Ich bin lediglich aus einem einzigen Grund mit Ihnen hier: Ich will die Interessen meiner Schwester schützen.“
Sie schreckte aus ihren Grübeleien auf. „Ich stelle weder für ‚Ginny’s‘ noch für Sie eine Gefahr dar. Mir ging nur gerade durch den Kopf, wie wenig wir gemeinsam haben. Sie würden jedoch perfekt zu meiner älteren Schwester passen – jedoch mag ich sie zu sehr, um ihr jemanden wie Sie zu wünschen.“
Jordan warf ihr einen sonderbaren Blick zu. „Wenn sie Ihnen auch nur im Entferntesten ähnelt …“
„O nein, Frances ist schön“, versicherte Bridget.
„Wie kommen Sie darauf, dass ich so oberflächlich bin, mich von dem Äußeren einer Frau beeindrucken zu lassen?“, erkundigte er sich gereizt.
„Außerdem ist sie klug, amüsant und weltgewandt!“
„Welch Erleichterung!“, bemerkte er trocken. „Haben Sie noch mehr Schwestern?“
„Nur noch Rosie. Sie ist jünger als ich.“
„Demnach sind Sie das mittlere Kind?“ Sein Lächeln ließ ihr Herz schneller schlagen. „Wird man da nicht oft ignoriert und bemüht sich deshalb besonders, Aufmerksamkeit zu erringen?“
„Meine Familie hat mich nie ignoriert.“ Im Gegenteil, sie war in einer herzlichen, liebevollen Atmosphäre aufgewachsen.
„Weil Sie so nett waren?“, neckte er sie. Flirtete er etwa mit ihr? „Nun, das ist vermutlich eine bessere Taktik als Aggressionen oder Ehrgeiz, aber möglicherweise wird man Sie am Ende ausnutzen oder im Stich lassen.“
„Ich glaube, meine Schwestern sind auch nett.“ Ihre Augen funkelten fröhlich. „Frances kann allerdings gelegentlich etwas herrschsüchtig sein. Meine Idee war also doch nicht
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