Romana Exklusiv 0187
so gut, Sie würden sich wahrscheinlich mit ihr streiten. Das liegt wohl daran, dass sie die Älteste ist, genau wie Sie. Sie beide haben sich so daran gewöhnt, auf alles aufzupassen, dass Sie es nicht über sich bringen, einmal Verantwortung zu übertragen.“
Er presste die Lippen zusammen. „Aber in Ihrer Familie sind die Eltern als Respektspersonen da, nicht wahr?“
„Ja, wir haben mehr Glück als Sie“, räumte Bridget reumütig ein.
„Mag sein, es ist jedoch nicht immer ein Glücksfall, wenn die Eltern noch leben.“
„Das dürfen Sie nicht sagen“, protestierte sie schockiert.
„So? Nichtsdestotrotz trifft es in manchen Fällen zu. Denken Sie mal darüber nach, Bridget. Und nun entspannen Sie sich, ich werde Ihre unschuldigen Ideale nicht weiter anzweifeln. Unser Ausflug hat länger gedauert, als ich erwartet habe, und ich bin mit Wanda verabredet. Wenn ich Sie vor der Botschaft absetze, können Sie doch ein Taxi für die Heimfahrt nehmen, oder? Haben Sie genug Geld?“
„Ja.“ „Richten Sie Sita Menon aus, dass ich nicht zum Dinner komme. Lassen Sie uns gehen.“
Der abrupte Stimmungsumschwung verwirrte Bridget. Der liebenswürdige Reiseführer vom Vormittag war verschwunden, Jordan schien darauf zu brennen, sie so schnell wie möglich loszuwerden. Auf dem Weg zur Botschaft wechselte er kaum ein Wort mit ihr. Vielleicht war er in Gedanken bereits bei Wanda und den Stunden, die sie gemeinsam verbringen würden.
Bridget genoss den Besuch in der Botschaft, denn der Dienst habende junge Empfangsbeamte entsprach so gar nicht ihrem Bild von einem würdevollen Staatsdiener. Seine Vorschläge, wie sie privat und geschäftlich am meisten von ihrem Aufenthalt in Indien profitieren könne, waren so abwegig, dass sie ihn einfach nicht ernst nehmen konnte.
„Und hüten Sie sich vor Virginia Stirlings großem Bruder“, warnte er sie, als er ihr ins Taxi half und dem Chauffeur einige Banknoten reichte. „Wie ich hörte, ist er in der Stadt – wenn Sie denken, ich wäre verrückt, dann warten Sie, bis Sie ihn kennenlernen, Süße.“
„Das habe ich bereits.“
„Hat er schon versucht, Sie zu verführen?“
„Ich fürchte, ich bin nicht sein Typ“, erklärte sie unbekümmert.
Ein Lächeln huschte über sein jungenhaftes, aber irgendwie verlebtes Gesicht.„Dann hat er entweder seinen Verstand oder seine Sehkraft verloren.“
Wieder im Haus eingetroffen, informierte Bridget Sita, dass mit Jordan zum Dinner nicht zu rechnen sei, und so beschlossen die beiden Frauen, Sitas Neffen im Krankenhaus zu besuchen. Der Kleine hatte sich bei dem Versuch, vom Balkon der elterlichen Wohnung auf den des benachbarten Apartments zu klettern, beide Beine gebrochen.
Später kehrte Bridget mit einem Taxi zurück und bereitete sich einen leichten Imbiss. Gegen zehn Uhr klingelte das Telefon.
„Bridget?“, meldete sich Virginia. „Mein Bruder hat mich nicht mit Ihnen reden lassen, als ich gestern Abend anrief – ich meine, heute Morgen oder wie spät auch immer es bei Ihnen gewesen sein mag. Ich habe ihn gebeten, auf Sie aufzupassen, weil ich so daran gewöhnt bin, dass er sich um uns alle kümmert. Seither plagen mich Gewissensbisse, denn ich hatte ganz vergessen, wie er manchmal Leute wie Sie behandelt. Ist alles in Ordnung?“
„Ja, natürlich“, erwiderte Bridget, verwundert über die unerwartete Fürsorge ihrer Chefin.
„Ich hätte früher daran denken müssen. Ich möchte Sie vor ihm warnen“, fuhr Virginia fort. „Sie müssen vorsichtig sein, Bridget. Am besten halten Sie sich von ihm fern. Aus irgendeinem Grund hegt Jordan eine tiefe Abneigung gegen Menschen wie Sie – nette, gute Menschen. Genau wie der Teufel die Unschuldigen und Guten verabscheut und sie in Versuchung führt, weil sie ihn daran erinnern, wie er selbst vor dem Sündenfall war. Ob Sie es glauben oder nicht, auch mein Bruder hatte früher Ideale und grenzenloses Vertrauen in seine Mitmenschen. Und heute setzt er alles daran, sie zu zerstören und zu dem zu machen, was er ist.“
„Wie spät ist es bei Ihnen?“ Bridget wurde den Verdacht nicht los, dass Virginia zumindest angetrunken war. „Ehrlich, Virginia, Ihr Bruder hat nicht versucht, mich zu ‚zerstören‘! Er hat sogar Ihre völlig überflüssige Bitte, auf mich aufzupassen, so ernst genommen, dass er mir Delhi gezeigt hat. Allerdings hat er behauptet, es geschähe in Ihrem Interesse und nicht in meinem, da er inzwischen zu dem Schluss gelangt sei, dass ich nicht
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