Romana Exklusiv 0188
fehlte.
Plötzlich wandte er den Kopf, sodass ihre Blicke sich trafen.
„Was ist los?“, erkundigte er sich unvermittelt. „Warum sagen Sie nicht, was Sie beschäftigt?“
Frankie befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen und atmete tief durch.
„Also gut. Ich frage mich manchmal … warum Sie dieses Buch schreiben.“
Julian betrachtete sie ruhig, bevor er in sachlichem Tonfall fragte: „Wollen Sie mir damit sagen, dass es nicht gut ist?“
„Nein, das will ich nicht“, widersprach sie entschieden. „Wenn ich das gedacht hätte, hätte ich es Ihnen längst erzählt. Sie sind sehr kompetent und haben einen ausgezeichneten Stil. Es ist nur … Ich habe den Eindruck, dass Ihnen die Leidenschaft fehlt.“ Sie machte eine Pause, aber da er nicht antwortete, fuhr sie fort: „Normalerweise gebe ich allen Autoren den Rat, etwas anderes zu tun, wenn das Schreiben für sie nicht an erster Stelle steht.“
Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf, sodass er sie überragte. Die Wut und Bitterkeit, die er ausstrahlte, schienen den ganzen Raum einzunehmen.
„Was zum Beispiel?“, erkundigte er sich scharf. Dann wandte er sich um und blickte aus dem Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, hatte er die Hände in die Taschen seiner Jeans gesteckt. „Was zum Beispiel?“, wiederholte er etwas versöhnlicher als zuvor, und es klang fast wie ein Flehen.
„Na ja … Ich weiß es nicht“, brachte Frankie hervor, denn sein unerwarteter Gefühlsausbruch hatte sie überrascht. „Wie sollte ich auch? Ich kenne Sie kaum. Vielleicht sollten Sie eine neue Expedition planen? War es nicht ein bisschen voreilig, zu verkünden, dass Sie keine Expeditionen mehr unternehmen, wo es so lange Ihr Leben bestimmt hat?“
„Meinen Sie?“, erwiderte Julian wegwerfend. Schließlich seufzte er. „Ich hatte keine Wahl. Ich bin körperlich nicht mehr in der Lage, solche Touren durchzuführen, und vermutlich werde ich es nie wieder sein – auch wenn es für Sie nicht den Anschein haben mag. Glauben Sie mir, ich kenne den Unterschied. Ich wäre meiner nie mehr hundertprozentig sicher, und neunundneunzig Prozent reichen nicht, wenn Ihr Leben und das anderer Menschen in gefährlichen Situationen von Ihrem Durchhaltevermögen und Ihrer Reaktionsfähigkeit abhängt. Das Leben ist für mich vorbei, Frankie, ob ich will oder nicht.“
Zunächst schwieg sie und schenkte ihnen Kaffee nach. Er schmeckte abgestanden, doch Julian störte es offenbar nicht – genauso wenig wie sie. Sie war schockiert, denn er hatte ihr verraten, wie groß das Loch in seinem Leben war, das er verzweifelt zu füllen suchte.
Er lehnte sich ans Fenster, den Becher in Händen, und sein Brustkorb bewegte sich auf und ab.
„Ich könnte wohl jederzeit nach Cerne Farm zurückkehren, in meinem leeren Haus sitzen und meine Kinder anrufen, die angeblich nie da sind“, sagte Julian spöttisch. „Wenn das nichts bringt, könnte ich mein Gewehr nehmen, um mir eine Kugel in den Kopf zu jagen. Stattdessen schreibe ich lieber. Habe ich also Ihre Erlaubnis weiterzumachen?“
„Natürlich“, antwortete sie leise und versuchte vergeblich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Mit ihrer Bemerkung hatte sie eine wahre Gefühlslawine ausgelöst, und sie bezweifelte, damit fertig werden zu können. „Es tut mir sehr leid, Julian. Das habe ich nicht gewusst.“
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Erzählen Sie mir von Ihren Kindern. Wie alt sind sie?“
Nun hatte er sich wieder unter Kontrolle, als hätte der Ausbruch nie stattgefunden.
„Jeremy ist fünfzehn und Karin zwölf. Sie leben beide bei meiner Exfrau. Ich sehe sie sehr selten, und wenn, scheinen sie sich jedes Mal völlig verändert zu haben.“
„Das kommt vor, und soweit ich weiß, ist es ganz normal“, sagte sie im Plauderton. „Ich spreche zwar nicht aus Erfahrung, aber viele meiner Freunde haben Kinder. Wenn Kinder in die Pubertät kommen, gibt es immer Probleme.“
Julian lächelte, und Frankie bemerkte, dass er sie durchschaut hatte.
„Ist schon gut, Frankie“, sagte er sanft. „Ich brauche keinen Psychiater, sondern eine Lektorin. Ware es sehr sexistisch, wenn ich Sie darum bitten würde, frischen Kaffee zu kochen?“
„Überhaupt nicht.“ Nicht, wenn er es so ausdrückte. Und wenn er so lächelte, konnte er jeden dazu bringen, über glühende Kohlen zu gehen.
Den restlichen Vormittag verbrachte Frankie mit der Lektüre des vierten
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