Romana Exklusiv 0188
dazu hatte. Allerdings hat sie die Kinder mitgenommen und tut alles, um die beiden gegen ihren Vater aufzuhetzen und von ihm fernzuhalten.“
Als Frankie wenig später zum Haus zurückfuhr, grübelte sie über das nach, was Jan zu ihr gesagt hatte.
Alison. Jetzt hatte sie einen Namen – die Frau, die lange genug mit Julian zusammengelebt haben musste, um Mutter seines fünfzehnjährigen Sohnes zu sein. Er musste sie sehr geliebt haben, da die Trennung ihm so zugesetzt hatte.
Nein, er liebt sie immer noch, sagte sich Frankie. Alison hatte seine Familie zerstört, ihm die Kinder weggenommen und mit einem anderen Mann geschlafen, und er litt noch immer so stark darunter, dass er sich für keine andere Frau interessierte.
Viel zu schnell fuhr Frankie um eine Kurve. Du kannst nichts dagegen tun, dachte sie. Sie konnte ihm lediglich bei seinem Buch helfen. Falls er sie überhaupt als Frau sah, dann als Vertreterin einer Spezies, der er zutiefst misstraute.
Obwohl sie geradezu rasant gefahren war, erreichte sie wohlbehalten das Haus. Selbst als sie wütend die Handbremse anzog, führte sie ihren stummen Monolog weiter. Ich will gar nicht, dass er mich als Frau sieht!
Sie knallte die Wagentür zu und stürmte ins Haus.
5. KAPITEL
Im Haus war es ganz still. Frankie nahm Julians Manuskript mit nach draußen und setzte sich an den Tisch im Schatten. Obwohl es ihr zunächst schwerfiel, schaffte sie es bald, sich auf die Lektüre zu konzentrieren und ihre innere Unruhe zu ignorieren.
Nach etwa einer Stunde stellte sie fest, dass es plötzlich einen Sprung im Text gab. Ein Blick auf die Seitenzahlen sagte ihr, dass einige Seiten fehlten.
Da es sich um eine wichtige Passage handelte, wollte sie die fehlenden Seiten nicht einfach überspringen. Sie konnten nur auf dem Tisch liegen, an dem Julian am Vormittag gearbeitet hatte. Vermutlich hatte er nichts dagegen, wenn sie sie einfach holte.
Frankie zuckte die Schultern und stand auf. Julian war bereits so wütend auf sie, dass es kaum schlimmer werden konnte.
Wie sie erwartet hatte, war die Tür zum Gartenhaus nicht abgeschlossen. Frankie stieß sie auf und betrat den vollgestopften kleinen Raum. Alles schien unverändert, seit er die Arbeit unterbrochen hatte und sie nach draußen gegangen waren, um zu Mittag zu essen.
Entweder aus Gewohnheit oder rein zufällig blickte sie in das aufgeschlagene Notizbuch, das vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Auf jeden Fall war es verhängnisvoll, denn sofort war ihr berufliches Interesse geweckt, und sie begann zu lesen.
Bei den Eintragungen handelte es sich nicht um Julian Tarrants sorgfältige Darstellung seiner Expeditionen. Dies war etwas anderes … so eindringlich und persönlich, dass es sie fesselte. Die Handschrift und die Stimme waren dieselbe, doch dies war Julians geradezu einzigartige Biographie. Frankie hielt beinah den Atem an, als sie sich auf den Stuhl sinken ließ und weiterlas.
Im Geiste besuchte sie mit ihm die Universität und erfuhr zu ihrer Überraschung – obwohl es eigentlich nicht verwunderlich war –, dass er Anthropologie studiert hatte. Sie durchlitt mit ihm das harte Überlebenstraining, bei dem er die Fähigkeiten erworben hatte, die ihm in den folgenden Jahren zugute gekommen waren. Schließlich begleitete sie ihn auf seinen ersten einsamen Exkursionen in öde Gegenden und trauerte mit ihm, als sein Vater starb und er Cerne Farm erbte.
Nachdem sie einen Blick auf die nachfolgenden Seiten geworfen hatte, wusste sie, dass Julian seine Expeditionen in diesem Buch aus einem ganz anderen Blickwinkel beschrieben hatte – nicht aus wissenschaftlicher, sondern aus persönlicher Sicht. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, als ihr bewusst wurde, dass dieses Tagebuch auch die genaue Beschreibung des dramatischen Vorfalls im Amazonasgebiet enthielt, der seiner Karriere ein Ende gesetzt hatte. Es war das lebensnahe, wohldurchdachte Vermächtnis eines intelligenten und sensiblen Mannes, das auch einen Einblick in die Abgründe seiner Seele bot. Julian beklagte zum Beispiel die Zerstörung der Erde und fürchtete, dass er ebenfalls seinen Teil dazu beitrug. Mit einem Zitat des berühmten romantischen Dichters William Wordsworth, der fast zweihundert Jahre zuvor den Verlust der Unschuld beklagt hatte, verlieh er dieser Angst Ausdruck.
Unfähig, sich zu bewegen, saß Frankie da und verspürte einen dumpfen Schmerz in ihrem Innern. Ihr professioneller Instinkt, dem sie bedingungslos vertraute, sagte ihr, dass es
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