Romana Exklusiv 0188
immer nachdenklich betrachtete.
Frankie beschloss, das Thema zu wechseln. „Nun haben wir genug über mich gesprochen. Ich bin ein unkomplizierter, offener Mensch.“ Sie lächelte. „Wie sieht es bei Ihnen aus? Was hat Ihr Arztbesuch ergeben?“
Julian zuckte die Schultern. „Körperlich bin ich wieder fit, aber das wusste ich bereits. Bei kaltem, feuchtem Wetter werde ich womöglich noch Schmerzen verspüren, doch damit kann ich leben. Ich habe irgendwo in meinem linken Bein eine Stahlplatte und bin an verschiedenen Stellen zusammengenagelt worden. Daher muss ich aufpassen, inwieweit ich die Technik strapazieren kann.“ Er lachte. Obwohl es ein wenig hohl klang, war es nicht mehr so bitter wie noch vor wenigen Monaten. „Na ja, so schlimm ist es nicht. Ich kann zum Beispiel Sport treiben, wenn ich aufpasse. Und von jetzt an reise ich erster Klasse.“
„Und was ist mit dem … Wie nannten Sie es? Post …“
„Posttraumatisches Stresssyndrom. Anscheinend bin ich darüber hinweg.“ Hatte sie es sich bloß eingebildet, oder war er leicht zusammengezuckt? „Ich wache nicht mehr in der Nacht auf, weil ich von Albträumen geplagt werde. Kurzum, ich kann wieder normal leben.“
„Das sind wunderbare Neuigkeiten“, sagte sie herzlich.
„Da bin ich nicht so sicher. Es bedeutet nämlich, dass ich meine schlechte Laune oder mein unfreundliches Verhalten nicht mehr damit entschuldigen kann.“ Sein Tonfall war nach wie vor ironisch, aber es war offensichtlich, dass Julian es ernst meinte. „Ich kann nicht mehr erwarten, dass die Leute Rücksicht auf mich nehmen, weil ich eine schwere Zeit durchgemacht habe.“
Er machte sich über sich lustig und kritisierte sich gleichzeitig so treffend, dass Frankie ihn verblüfft anschaute. Allerdings brachte sie erst nach dem Essen, als sie zum Kaffeetrinken ins Wohnzimmer gingen, den Mut auf, weiter nachzuhaken: „Da Sie nun ein Muster an Liebenswürdigkeit sind, dürfte ich Sie fragen, ob Ihr Gespräch mit Ihrem Anwalt genauso erfolgreich war?“
Sie beobachtete, wie er sich sekundenlang versteifte, dann jedoch wieder entspannte. „In gewisser Hinsicht ja. Mein Sohn und meine Tochter dürfen mich im Sommer für einige Zeit auf Cerne Farm besuchen. Das ist ein Anfang, schätze ich.“
Plötzlich beugte er sich nach vorn. „Waren Sie schon einmal verheiratet, Frankie?“
Frankie lachte. „Ja, allerdings ganz kurz, als ich noch studierte. Wir waren viel zu jung, und wir haben rechtzeitig die Konsequenzen daraus gezogen.“
„Dann haben Sie also keine Kinder?“
„Nein.“ Sekundenlang runzelte sie die Stirn. „Ich habe mir ein Baby gewünscht, obwohl das genauso unvernünftig gewesen wäre, weil wir beide studierten und wenig Geld hatten. Als ich es Tom sagte, erklärte er, dass er sich scheiden lassen wolle. Ich mache ihm keinen Vorwurf daraus, denn die Ehe war ohnehin ein Fehler gewesen. Jedenfalls ist er nach Kanada gezogen, da er ein Stipendium bekommen hatte, und hat dort wieder geheiratet. Er schreibt mir regelmäßig zum Geburtstag und zu Weihnachten und hat mich eingeladen, ihn zu besuchen, falls ich je dort sein sollte.“
„Und würden Sie das tun?“
„Warum nicht? Wir hegen keinen Groll gegeneinander. Ich wünsche ihm nur das Beste, und das beruht wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit.“
„Wie zivilisiert!“ Julian stand auf, vermutlich um der Situation die Spannung zu nehmen. Einen Arm aufs Kaminsims gestützt, blickte er auf Frankie herunter. „Eine Scheidung kann wohl in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen, wenn keine Kinder im Spiel sind – und keine dritte Partei. Ich habe andere Erfahrungen gemacht.“
Sie rutschte auf dem Sofa ein Stück zur Seite. Mehr denn je spürte sie, wie Julians überwältigende Ausstrahlung sie in ihren Bann zog.
„Haben Sie … haben Sie sich zum Zeitpunkt der Scheidung nicht über Dinge wie zum Beispiel das Besuchsrecht geeinigt? Soweit ich weiß, tut man das normalerweise.“ Verzweifelt versuchte Frankie, sich unter Kontrolle zu bringen.
„Vielleicht, aber ich konnte damals nicht klar denken“, erwiderte er kurz angebunden. „Ich wollte einfach so schnell wie möglich eine Ehe beenden, die sich als Fehler erwiesen hatte.“
Frankie bemerkte, dass er hin und her gerissen war zwischen dem Wunsch, seine Probleme für sich zu behalten, und dem Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen und damit seine Seele zu erleichtern.
„Ich habe das Mädchen aus der Nachbarschaft geheiratet“, fuhr er fort.
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