Romana Exklusiv 0190
„Falls es dir jetzt unmöglich ist, bei mir zu bleiben, dann veranlasse ich, dass man dich dorthin fliegt, wo immer du hinwillst. Du hast die Wahl, carissima.“
Ihr Herz und Verstand fochten einen kurzen, aber heftigen Kampf miteinander aus. „Es gibt keinen Ort auf der Welt, wohin ich sonst möchte, das weißt du genau.“
„ Dolcezza mia “, flüsterte er.
Flora saß neben ihm, hielt seine Hand und bemerkte die neidischen Blicke der hübschen Stewardessen. Sie dachten offensichtlich, sie habe das große Los gezogen – sowohl sexuell als auch finanziell.
Vielleicht hatten sie sogar recht. Denn in den kommenden zwei Wochen würde sie tagsüber verwöhnt und nachts ins Paradies entführt werden. Danach würde alles vorbei sein und der Zauber erlöschen. Sie gab sich keinen Illusionen hin, keinen naiven Träumen über eine mögliche Zukunft mit dem Mann an ihrer Seite. Die Zeit mit ihm war begrenzt, und sie akzeptierte es.
Sie hatte also überhaupt keinen Grund, sich unbehaglich zu fühlen.
Wenn ich es mir oft genug einrede, besteht die Chance, dass ich es am Ende glaube, sagte sie sich.
Der erste Blick auf San Silvestro war atemberaubend. Während der Helikopter zur Landung ansetzte, sah Flora das Castello, das sich aus der üppig grünen Landschaft erhob. In der Nachmittagssonne leuchteten die Mauern in erdigen Rosa-, Grau- und Cremetönen.
Bei näherem Hinschauen entdeckte sie jedoch, dass das Anwesen aus einer Ansammlung von Gebäuden bestand, die allesamt mit hellen Terrakottaziegeln gedeckt waren und von einem viereckigen Turm überragt wurden. Dank seiner Lage hoch auf den Klippen glich es einem Löwen, der über die azurblaue See wachte.
Für Flora wirkte es wie ein Bild aus dem Märchenbuch, eine Vision mittelalterlicher Macht, für Fabio hingegen war es das Heim. Ein weiterer Hinweis darauf, aus welch unterschiedlichen Welten wir stammen, dachte sie.
Als der Hubschrauber auf dem Rasen hinter dem Castello landete, eilten mehrere Personen die Stufen vor der imposanten Terrasse hinunter, um sie zu begrüßen.
Floras Magen krampfte sich vor Nervosität zusammen.
Allen voran lief ein grauhaariger Mann. Er trug eine dunkle Hose und ein schlichtes graues Jackett. Seine vermutlich sonst recht strengen Züge waren von einem erfreuten Lächeln erhellt.
Dies muss Alfredo sein, überlegte Flora, der Fabio auf dem Flug einiges über die wichtigsten Angestellten erzählt hatte.
„Er ist mein maggiordomo, und seine Frau Marta ist die Haushälterin“, hatte er ihr berichtet. „Alfredos Vater arbeitete für meinen Großvater. Genau wie ich wurde er im Castello geboren und liebt es ebenso sehr.“
Zögernd ließ sie sich von Fabio aus dem Helikopter helfen. „Avanti“, rief er ihr aufmunternd zu, bevor er mit ihr zu der wartenden Gruppe ging.
Nach der herzlichen Begrüßung für seinen Herrn fand sie Alfredos kühle Höflichkeit ihr gegenüber ein wenig befremdlich. Sie spürte zudem die abschätzenden Blicke der anderen Dienstboten, während sie ihr vorgestellt wurden.
„Dies ist Ninetta, Signorina.“ Alfredo deutete auf ein hübsches, molliges Mädchen in dunklem Kleid und weißer Schürze. „Sie wird Ihre Sachen auspacken und sich während Ihres Aufenthalts bei uns um Sie kümmern.“
„Grazie.“
Alfredo neigte würdevoll den Kopf. „Wenn Sie mir nun folgen wollen, werde ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen, Signorina.“
Als er an Fabio vorbeikam, sprach ihn dieser leise auf Italienisch an. Für eine Sekunde verschwand die ausdruckslose Miene, und der Majordomus zeigte Überraschung. „Si, signore, naturalamente .“ Dann ging er weiter zum Haus und bedeutete Ninetta mit einem Fingerschnippen, Floras Gepäck zu nehmen.
Das Innere des Castellos verschlug ihr fast den Atem: weitläufige Räume, geflieste Böden, niedrige Decken, mit Fresken geschmückte Wände. Alfredo geleitete sie eine breite Steintreppe hinauf und eine Galerie entlang, die in einen langen Korridor mündete. Nachdem sie weitere Stufen erklommen hatten, öffnete er eine Doppeltür und ließ sie eintreten.
Der quadratische Grundriss verriet, dass sie sich im vermutlich ältesten Teil des Gebäudes, dem Turm, befanden. Die Ausstattung war wahrhaft prachtvoll. Das Muster der mit Brokat bespannten Wände wiederholte sich in den Vorhängen und dem Baldachin des mächtigen Himmelbetts. Die übrige Einrichtung war eher sparsam, doch jedes einzelne Stück war eine kostbare Antiquität, der Teppich auf den glänzenden Holzdielen
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